So sollst du schweigen: Roman (German Edition)
Freundinnen von mir in diesem Punkt gern mit dem Zaunpfahl winkten. Aber ich? Nie im Leben.
»Oh, Joe!« Ich schüttelte den Kopf. Es war ein wunderschöner Ring. »Ich kann das nicht!«
»Wieso nicht?«
»Weil … Ich kann einfach nicht.«
»Wieso nicht? Wir lieben uns. Wir leben zusammen. Lass es uns amtlich machen.«
»Was ist mit Kindern?«
Wir versuchten es nun schon seit Monaten, ohne Erfolg. Wir zählten zwar nicht die Tage, verhüteten aber schon seit einer ganzen Weile nicht mehr.
»Wir könnten uns testen lassen. Es vielleicht mit künstlicher Befruchtung versuchen.«
»Nein, das will ich nicht.« Damit wäre ich das Risiko eingegangen, dass etwas über meine Vergangenheit herauskam.
»Ich will dich, Lorrie. Ich liebe dich. Meine Liebe ist nicht davon abhängig, ob wir Kinder haben können. Dann legen wir uns eben einen Hund zu.«
Ich stellte die Schachtel auf den Tisch. »Ich kann dich nicht heiraten.«
»Warum denn nicht?« Er sah gekränkt aus. »Was verschweigst du mir?« Dann schien er zu überlegen. »Bist du schon verheiratet?«
Ich lachte und schüttelte den Kopf. »Nein, Joe. Natürlich nicht! Es hat nichts mit dir zu tun. Ich will einfach nicht heiraten. Nie.«
»Warum nicht, Lorrie?«
»Ich … ich sehe einfach keinen Sinn darin.«
Der Arme. Aber ich konnte ihm nicht die Wahrheit sagen. Die Ehe war etwas für Menschen, die alles miteinander teilen wollten, selbst ihre tiefsten Geheimnisse, aber das war völlig ausgeschlossen. Ich würde niemals einen Menschen so nahe an mich heranlassen. Ich würde mich niemals jemandem bedingungslos anvertrauen.
Trotzdem machten wir noch ein halbes Jahr weiter, auch wenn wir beide wussten, dass es nirgendwo hinführte. Seine kleine Frage, nur vier Worte, hatte alles verdorben. Und ob Tilly uns irgendwie weiterbrachte, wagte ich inzwischen auch zu bezweifeln.
Eins aber wusste ich genau. Es musste etwas passieren, so konnte es nicht weitergehen. Entweder musste ich Joe ein für alle Mal aus meinem Leben verbannen oder mich ihm öffnen, doch die Konsequenzen in letzterem Fall erschienen mir schlicht zu gewaltig. Ausgeschlossen. Was bedeutete, dass unsere Beziehung den Weg aller Beziehungen gehen musste. Allein beim Gedanken an das unausweichliche, traurige Ende wurde mir elend. Ich hätte es bevorzugt, lieber spurlos vom Erdboden zu verschwinden.
Als ich nach Hause kam, sprang Tilly wie eine Besessene an mir hoch. Ihre scharfen Krallen verfingen sich in meinem Pullover.
»Ich bin wieder da!«, rief ich und schlug die Tür hinter mir zu.
»Alles okay?«, rief Joe aus der Küche. Ich versuchte, seine Stimmung zu erfühlen. Die aromatischen Düfte – Zitronengras, Palmzucker, Ingwer und Knoblauch – deuteten darauf hin, dass alles in bester Ordnung war.
»Ich bin zu Fuß gegangen.«
»Du hättest mich doch anrufen können.«
Ich betrat die Küche. Er trug seine Hausklamotten – T-Shirt und Pyjamahose – und stand mit dem Rücken zu mir. Mit einem Mal wurde mir bewusst, wie sehr ich ihn liebte, wie viel mir unser Zusammenleben bedeutete. Ich wollte nicht Schluss machen, aber letztlich blieb mir keine andere Wahl. Wir hätten niemals zu der Farm herausfahren dürfen. Der verdammte Hund.
Er wandte sich um und begrüßte mich mit einem Kuss auf die Wange.
»Das riecht aber gut«, bemerkte ich.
Er zerstieß gerade mit Mörser und Stößel diverse Gewürze. Ein volles Glas Weißwein stand neben ihm.
»Ich brauche erst mal ein Bad.« Ich zog den Mantel aus und schüttelte mir die Schuhe von den Füßen. Dann nahm ich ein Glas aus dem Schrank, ging zum Kühlschrank und schenkte mir ebenfalls etwas vom Wein ein. Tilly, die Beziehungstöterin, sprang immer noch an mir hoch.
»Schluss jetzt!«, herrschte ich sie an. Wer würde Tilly bekommen, wenn wir uns trennten? Der arme Hund.
Sie blieb mir auf den Fersen, als ich nach oben ging, begierig auf Zuneigung und Streicheleinheiten. Ich machte ihr die Tür vor der Nase zu und lehnte mich kurz dagegen, ehe ich über die blau gestrichenen Dielen zur Wanne ging, mein Glas abstellte und den Hahn aufdrehte. Ich riss mir die Sachen regelrecht vom Leib und stieg sofort in die Wanne.
Ich liebe es, hineinzusteigen, sobald das Wasser läuft, und mich dabei allmählich aufzuwärmen. Zuerst kommt das Wasser kalt aus dem Hahn, dann wird es langsam heiß. Fröstelnd sitze ich in der lauwarmen Pfütze, aber in der Gewissheit, dass es nicht lange so ungemütlich bleiben wird. Ich drehe den Warmwasserhahn so weit
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