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So still die Nacht

So still die Nacht

Titel: So still die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Lenox
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ob sie überhaupt etwas gesehen hatte.
    Sie ließ sich wieder hinabsinken und umfasste die dicke Metallklinke. Ohne Erfolg zog sie daran. Die Tür war abgeschlossen.
    Sie hatte irgendetwas gesehen. Und sie hatte auch irgendetwas gehört.
    Holz splitterte.
    Sie wirbelte herum, rannte wieder auf den Platz und hielt Ausschau nach irgendeinem Arbeiter, irgendeinem Friedhofsbesucher, der ihr vielleicht helfen könnte. Aber kein Mensch war zu sehen. Der Wind zerrte an ihren Röcken. Das Wispern kehrte zurück und füllte ihre Ohren.
    Sie kehrte zu der Tür zurück und presste sich die Hände auf den Mund, um nicht zu schreien. Da sie sonst nichts hatte, zog sie die Pistole aus ihrer Tasche hervor.
    »Ich warne Sie. Kommen Sie heraus!«, rief sie. Ihre Stimme hallte in der Stille wider.
    Holz krachte.
    Sie stieß die Waffe zwischen die Metallstäbe. Sie würde einen Warnschuss abgeben und die Person in die Flucht schlagen – dann würde sie wenigstens wissen, mit wem sie es zu tun hatte.
    Ein großer Stein kam aus der Dunkelheit geschossen und krachte neben ihrem Kopf gegen die Tür.
    Mina starrte durch das Fenster in die Katakombe. Die Umrisse eines Schattens wurden immer deutlicher, immer größer.
    Bronzene Augen blinzelten … glühten.
    Sie schrie. Die Kreatur brüllte und kam auf sie zugeschossen.
    Sie feuerte.
    Mark hockte in der Dunkelheit, stumm in seinem Zorn.
    Er schloss die Augen und atmete tief durch die Nase ein. Dann konzentrierte er sich auf die Wunde, um die Kugel aufzulösen und sein zerschmettertes Schulterblatt zu heilen. Der intensive Schmerz verebbte, ließ aber nicht gänzlich nach.
    Schritte näherten sich, fragende Stimmen. Er öffnete die Augen. Ein Schlüssel wurde im Schoss gedreht, das metallische Geräusch hallte durch das enge Gewölbe. Die Tür öffnete sich mit einem Knarren. Ein betagter Gärtner mit aufgekrempelten Hemdsärmeln, ausgebeulter Weste und schmutzverkrusteten Hosen hob eine Laterne, um das Innere der Katakombe zu erhellen. Sein suchender Blick ging direkt durch Mark hindurch.
    »Da ist niemand, Miss.«
    »Das ist unmöglich.« Miss Limpett erschien in der Tür, ihr Gesicht leuchtend vor dem Hintergrund aus Schatten.
    Ihre Augen glänzten vor Furcht und Aufregung. War es möglich, dass sie noch liebreizender geworden war, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte?
    Er kniff die Augen zusammen. Vielleicht war es einfach die Tatsache, dass sie auf ihn geschossen hatte. Er hatte schon immer Frauen bewundert, die ihre Waffen selbstsicher und gut zu gebrauchen wussten.
    Ihr Onkel tauchte neben ihr auf. In der Hand hielt er ihre Pistole, den Lauf auf den Boden gerichtet. Auch er spähte ins Dunkel, und sein hoher Seidenzylinder reflektierte das orangefarbene Licht der Laterne.
    »Sind Sie sich sicher, dass Sie jemanden gesehen haben?«, hakte er sanft nach.
    Minas harter, glasiger Blick fiel auf das stabile Holzregal, auf das man den Sarg ihres Vaters gestellt hatte. Zum Glück hatte Mark den Deckel losgelassen, und die schwere Platte war wieder in ihre ursprüngliche Position zurückgefallen.
    Ihr Geheimnis war gewahrt.
    Der Gärtner wagte sich in geduckter Haltung herein. Die Vorderkappe seines schlammverschmierten Arbeitsstiefels stieß gegen eine der Nieten, die Mark gelöst hatte. Das Pling Pling Pling des Metalls, als die Nieten auf den Steinboden gefallen waren, hatte durch die Katakombe geschallt.
    »Was war das?«, fragte Lord Trafford, ging aber nicht so weit, einzutreten.
    Der Gärtner ließ die Laterne sinken und untersuchte den Boden. Als er die Nieten sah, weiteten sich die Augen des alten Manns. Er schwang das Licht auf die Särge in ihren Nischen zu. Furcht ließ seine Züge erschlaffen, und sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. »Nichts, Euer Gnaden.«
    Er ging rückwärts, als hätte er Angst, der Dunkelheit den Rücken zuzukehren. Trotz seines Schmerzes grinste Mark in raubtierhaftem Entzücken.
    »Wir sollten uns jetzt besser auf den Weg machen«, flüsterte der Alte. »Die Tore werden bald geschlossen.«
    »Er hat recht, Willomina.« Lord Trafford versuchte, sie sanft fortzuziehen, aber sie umklammerte den steinernen Türsturz.
    »Mein liebes Mädchen, Sie sind überreizt«, schlussfolgerte er. »Ihre Trauer spielt Ihnen Streiche und lässt Sie Phantome sehen, wo keine sind.«
    Sie nickte, während sie immer noch ins Innere der Katakombe starrte. »Sie haben natürlich recht. Ich bin … überreizt.«
    »Lassen Sie uns zum Gasthaus fahren«, drängte ihr Onkel. Sie

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