So still die Nacht
um weiterhin in ihrem Haus willkommen zu sein. »Eine Entschuldigung ist nicht nötig.«
Er tanzte einen Walzer mit ihr und führte sie mitten zwischen die anderen Paare. Stühle zogen sich am Rand der Terrasse entlang und standen auf dem Rasen verteilt. Sein Blick irrte ständig umher, doch Mina war nicht zu entdecken. Ja, sie war in Trauer, aber wenn man bedachte, wie viel Zeit seit dem Tod ihres Vaters vergangen war – wenn auch einem unwahren Tod –, wäre es nicht unschicklich gewesen, wenn sie mit einem Glas Tee oder Limonade unter den Sternen gesessen hätte, um die Musik zu genießen. Als der Walzer endete, löste er sich von Lucinda und platzierte sie geschickt zwischen einer Gruppe von Freunden und Rivalen.
Im Laufe der letzten halben Stunde hatte ihn ein dumpfer, nagender Kopfschmerz befallen, aber bisher erschienen ihm kein seltsames Licht und keine tanzenden Skelette. Die baumelnden Papierlampen griffen seine Augen an, zusammen mit all dem hektischen Gerede und den Bewegungen der Gäste. Ihr Geplapper und ihre Gedanken umwölkten seinen Geist. Er folgte einem Gartenpfad, der tief in die dunklen Schatten des Gartens führte.
Schließlich ließ er sich auf eine Bank fallen und rieb sich den Nasenrücken.
Zum ersten Mal in neunzehn Jahrhunderten fragte er sich insgeheim, in den privaten Tiefen seines Geists, wie sich der Tod anfühlen würde.
Mina saß in einem Sessel, die Ellbogen auf das im Dunkel liegende Fenstersims abgestützt. Von ihrem Fenster aus verfolgte sie die Festlichkeiten und bewunderte die Damen und Herren in all ihren Festtagskleidern, wie sie tanzten und politisierten. Sie hatte im Internat alle Tänze gelernt, sie aber stets nur mit Mitschülerinnen ausprobiert, in der Gegenwart eines Tanzmeisters. Gewiss würde es anders sein, in den Armen eines Herrn zu tanzen, insbesondere in den Armen eines Herrn, für den man Gefühle hegte.
Mark hatte sich von einer strahlenden Partnerin zur nächsten bewegt. Hochgewachsen, goldhaarig und atemberaubend wurde ihm offensichtlich die Aufmerksamkeit der Damen zuteil. Ein Lächeln erschien auf ihren Lippen, als er einen silberhaarigen Drachen zu einem langsameren Tanz auf die Tanzfläche führte. Die ältliche Matrone senkte ständig ihren Fächer, und somit die Hand, zu seinem Hinterteil. Wann immer er ihre Hand entfernte, glitt sie kurze Zeit später wieder hinunter. Der Kampf dauerte an, bis der Tanz endete und er die lächelnde Dame ritterlich zu ihrem Stuhl zurückbegleitete. Sein Gesichtsausdruck offenbarte nichts als einen schwachen Hauch von Erheiterung.
Dann erschien Lucinda. Nach einem kurzen, doch intensiven Gespräch tanzten sie miteinander. Konnte irgendein Paar besser zusammenpassen? Strahlend und elegant drehten sie auf der Tanzfläche ihre Kreise. Mina entging nicht, wie sich Lucinda an seinen Arm klammerte, auch als der Tanz bereits beendet war, als widerstrebe es ihr, ihn loszulassen.
Selbst wenn es vor Lucindas Ehe keine Affäre zwischen ihnen gegeben hatte – und selbst wenn sie nicht fortdauerte –, hatte Mina plötzlich großes Mitleid mit Trafford.
Inzwischen saß Mark seit fünf Minuten in der Dunkelheit, direkt unter ihrem Fenster. Sie rang mit sich, ob sie ihn ihre Anwesenheit bemerken lassen sollte. Hier, außerhalb des Lichts der Laternen, wirkte er ruhig, sogar nachdenklich. Er rieb sich die Nase, als sei er erschöpft. Schließlich konnte sie nicht länger widerstehen.
»Genießen Sie Ihren Abend?«
Er schaute auf. »Da sind Sie ja. Was tun Sie dort oben?«
Da sind Sie ja. Das hörte sich an, als hätte er nach ihr gesucht. Jeder Zentimeter ihrer Haut erwärmte sich von vorsichtigem Entzücken.
»Ich schaue zu. Ich habe von hier aus eine reizende Aussicht auf alle Ereignisse des Abends.«
»Erzählen Sie mir etwas Interessantes.«
»Nun, wenn Sie es unbedingt wissen müssen«, antwortete sie leichthin, »die Amerikaner benehmen sich ziemlich schlecht.«
»Inwiefern?«
»Die Damen Bonynge sind gerade mit ihrem Vater eingetroffen, und in der Folge ist ihre Erzfeindin, Mrs Mackay, mitsamt ihrem Gefolge hinausgestürmt. Astrid meinte, sie hätten eine seit langem bestehende Fehde wegen irgendwelcher Nichtigkeiten, deren sie sich beschuldigten.«
»Also, das ist interessant.«
Mina lachte. Er lachte nicht.
»Geht es Ihnen gut?«, fragte sie. »Sie scheinen nicht ganz Sie selbst zu sein.«
»Es ist mein Genick. Ich breche es mir, um zu Ihnen hinaufzuschauen. Warum kommen Sie nicht hier herunter und setzen
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