So still die Toten
drängte sich durch die Menge, bis sie neben ihrer Schwester stand. »Hast du was rausgekriegt?«
Eva sah sie an. »Ich dachte, du bleibst vorne an der Tür stehen.«
»Bin ich auch, bis zwei Kerle aufeinander losgegangen sind. Einer hat ein Messer gezogen, und dann habe ich dich aus den Augen verloren. Eva, hier ist es nicht sicher.«
Evas Gesichtsausdruck verfinsterte sich. »Nein, ist es nicht. Und ich habe mir keine Freunde gemacht.«
»Was ist passiert?«
»Der Barkeeperin haben meine Fragen nicht gefallen.«
»Ich dachte, ihr beide wärt so was wie Freundinnen.«
»Niemand im Gefängnis ist jemals dein Freund, Angie. Es gibt Bündnisse, aber die enden, sobald sie keinem mehr nützen.«
Angie blickte sich im Raum um, ob von irgendwoher neue Gefahr drohte. »Die Barkeeperin hat also keinen Grund, dir zu helfen.«
»Nein, hat sie nicht. Und da ich außerdem auch noch mit einem Cop zusammen bin, will sie erst recht nichts mit mir zu tun haben.«
»Hat sie irgendwas über Lulu gesagt?«
»Sie meinte, Lulu sei gestern Abend zur Arbeit gekommen. Sie habe eine Pause gemacht und sei danach nicht mehr zurückgekehrt. Eine der Kellnerinnen habe nach ihr gesucht, aber nur ihren Schuh in der Gasse gefunden.«
»Um welche Zeit?«
»Ungefähr um zehn.«
»Was ist mit ihrer Handtasche? Sie hatte gestern eine Handtasche dabei.«
»Falls sie die verloren hat, ist sie längst weg.«
Angie schaute zur Theke. »Im Fragenstellen bin ich gut. Lass mich mit ihr reden.«
»Nein. Das ist nicht deine Welt, Angie.«
»Stimmt. Aber ich komme schon zurecht.« Angie sah, dass Evas Bekannte inzwischen mit dem Mann sprach, der Angie das Bier ausgeschenkt hatte. Als die beiden zu ihnen hinüberschauten und ihren Blick bemerkten, verdüsterten sich ihre finsteren Mienen noch mehr.
»Wir sollten verschwinden«, meinte Angie.
Eva folgte dem Blick ihrer Schwester und sah gerade noch, wie die Barkeeperin einen Baseballschläger hinter der Theke hervorholte. Angie und Eva drehten sich um und drängten sich zwischen den Menschen hindurch.
Die Musik wurde lauter, und Angies Herz schlug ein wenig schneller. Sie warf einen Blick über die Schulter zurück, in der Hoffnung, die beiden Barkeeper wären an Ort und Stelle geblieben, sah jedoch, dass die Frau hinter ihnen herkam. Adrenalin schoss durch ihre Adern. In welches Wespennest hatten sie da gestochen?
Das Gewühl wurde immer dichter. Obwohl es nur noch ein paar Meter bis zum Eingang waren, schien er meilenweit entfernt zu sein.
Diese Frau würde sie zu Brei schlagen.
Malcolm merkte rasch, was vor sich ging. Er verließ die Theke, um der Barkeeperin den Weg abzuschneiden. Es gelang ihm, sich ihr in den Weg zu stellen und sie aufzuhalten.
Finster und kampfbereit starrte sie ihn an, und er schüttelte den Kopf. »Lass sie gehen.«
»Du stehst mir im Weg, Arschloch.«
»Sie gehört mir. Lass sie gehen.«
»Sie ist Zivilbulle.«
Malcolm musste lachen. »Nicht mal an ihren besten Tagen.«
Angie und Eva verließen das ZZ’s. Die Tür schlug hinter ihnen zu und schnitt sie von der Rockmusik, dem Stimmengewirr und der abgestandenen Luft ab, die nach Zigarettenqualm und Schweiß roch.
Sie rannten die Straße hinunter und blieben erst stehen, als sie bei Angies Auto ankamen. Angies Hände zitterten, als sie den Schlüssel aus ihrer Hosentasche angelte und ins Schloss steckte. Sie entriegelte die Türen, und schnell stiegen beide ein. Angie ließ den Motor an und fuhr los.
Als sie drei Blocks von der Bar entfernt waren, atmete sie tief aus. »Verdammter Mist. Was zum Teufel war da drin los?«
»Margo haben meine Fragen nicht gefallen.« Eva schüttelte den Kopf. »Sie konnte Fragen noch nie leiden.«
»Du hast doch nur nach Lulu gefragt.«
»Das hat anscheinend gereicht.«
»Warum?«
»Wegen Garrison. Margo dachte, er hätte mich geschickt, damit ich sie aushorche.«
»Das ist ja ein toller Ort zum Arbeiten. Wie ist Lulu denn da gelandet?«
»Ich habe ihr den Job besorgt. Ich kannte Margo und wusste, dass sie eine Kellnerin suchte.«
»Nicht gerade die beste Arbeitsstelle.«
»Immer noch besser, als auf der Straße zu stehen. So hat Lulu ein regelmäßiges Einkommen und muss nicht anschaffen gehen.«
»Okay, aber schlimmer geht’s ja kaum noch.«
Eva sah Angie an, als wäre sie ein kleines Kind. »Es ist schwer, Arbeit zu finden, wenn du vorbestraft bist. Ich hatte riesiges Glück, dass King sich um mich gekümmert hat. Sonst wäre ich wohl auch in so einem Job
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