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So still die Toten

So still die Toten

Titel: So still die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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Alkohol oder ein Nikotinfleck.«
    »Sie könnte sich in irgendeiner Gasse herumtreiben oder bei einem Freier sein.«
    »Da ist sie nicht. Ich weiß es.«
    »Okay.« Angie strich mit der Hand über die Tischplatte und stellte fest, dass sie sauber war. »Dann fahren wir jetzt dahin, wo sie arbeitet?«
    »Ja. Ins ZZ’s.«
    »Also los.«
    Die zehnminütige Fahrt führte sie tiefer hinein in eine dunkle Welt, ein Universum fernab der historischen Altstadt von Alexandria. Das Viertel wirkte rau und geschäftig, mit vielen Ampeln und dichtem Verkehr.
    Angie stellte ihr Auto nach Evas Anweisung auf dem Parkplatz eines Imbissladens ab, der rund um die Uhr geöffnet hatte.
    »Den Rest des Wegs gehen wir zu Fuß.«
    »In diesem Viertel?«
    »Schau einfach geradeaus und versuch, schlecht gelaunt auszusehen. Als ob du jedem eine reinhauen würdest, der dir zu nahe kommt.«
    »Eine Weisheit aus dem Gefängnis?«
    »Eine von vielen.«
    Die Abendluft war kühl und drang mühelos durch Angies dünnes T-Shirt. Sie bewegten sich durch spärlich beleuchtete Straßen, vorbei an Prostituierten und zwielichtigen Typen. Dennoch beschleunigte Eva ihren Schritt erst, als sie einen Streifenpolizisten sah.
    Als er außer Hörweite war, fragte Angie: »Hast du immer noch Angst vor Cops oder eher davor, dass dich jemand erkennt und bei Garrison verpetzt?«
    »Wahrscheinlich beides. Jedes Mal, wenn ich einen Polizisten sehe, zucke ich zusammen. Ich kann mich eben nur zu gut daran erinnern, wie man mich in Handschellen abgeführt hat. Und Deacon kennt so ziemlich alle Polizisten auf Streife. Es würde sich ganz schnell zu ihm herumsprechen. Er macht sich Sorgen, und ich will nicht, dass er sich Sorgen macht.«
    »Er bedeutet dir also etwas?«
    Eva schob die Hände in die Hosentaschen. »Ich mag ihn ganz gern.«
    »Deswegen triffst du dich also fast jeden Abend mit ihm.«
    »Wir kommen gut miteinander klar. Ich frage mich nur, ob es auf Dauer hält.«
    »Wieso sollte es nicht? Ich sehe doch, wie er dich anschaut. Er ist verrückt nach dir.«
    »Abgesehen von meiner Gefängnisstrafe habe ich keine Erfahrung mit langfristigen Sachen. Also versuche ich, nicht zu weit im Voraus zu planen.«
    Zwei Mädchen kamen aus einer Bar gestürmt, und die Musik mischte sich mit einem Schwall warmer, verrauchter Luft.
    »Du bist doch diejenige, die immer predigt, man solle nach vorne schauen.«
    »Na ja, wir haben alle unsere Ängste.« Eva deutete mit dem Kopf auf den Häuserblock vor ihnen. »Dort arbeitet sie. Im ZZ’s.«
    Angie schaute zu dem blinkenden roten Neonschild hinauf. Eine Bierreklame erhellte das Fenster, und sie sah, dass die Bar voll war. »Was für Leute kommen hierher?«
    »Harte Typen.«
    »Wie hart?« Angie hatte schon öfters mit Mandanten zu tun gehabt, die man als hart bezeichnen würde, aber nur im Gerichtssaal oder im Besucherraum des Gefängnisses. Immer war sie in der überlegenen Position gewesen – in ihrem Element. Jetzt, da sie sich in deren Welt begab, hätte sie Eva gerne noch einmal gefragt, ob das wirklich eine gute Idee war. Am liebsten hätte sie sie zur Vorsicht ermahnt, aber Evas entschlossener Gesichtsausdruck sagte ihr, dass ihre Worte auf taube Ohren stoßen würden.
    Und offen gestanden wollte sie wissen, wo Lulu arbeitete. Sie wollte die junge Frau finden und sie zur Schnecke machen, weil sie sie hatte hängen lassen. »Und was machen wir jetzt?«
    »Du bleibst am Eingang und passt auf. Ich rede mit der Barkeeperin. Ich kenne sie ein bisschen, und vielleicht spricht sie ja mit mir.«
    »Woher kennst du sie?«
    »Wir waren zusammen im Gefängnis.« Es klang ganz beiläufig.
    »Okay.«
    Im Inneren der Bar war die Musik so laut, dass Angie den pulsierenden Rhythmus in ihrer Brust spüren konnte. Trotz des neuerdings geltenden Rauchverbots war die Luft zum Schneiden. Vermutlich waren Zigaretten an einem Ort wie diesem noch das geringste Laster. Eva bewegte sich kerzengerade und mit hoch erhobenem Kopf durch die Menge. Nach außen hin wirkte sie furchtlos, doch daran, wie ihre Finger gegen ihren Oberschenkel trommelten, erkannte Angie ihre Nervosität.
    Zwei große, massige Männer kamen herein, und der eine rempelte Angie an. Sie verlor das Gleichgewicht und wäre beinahe über einen kleinen, runden Tisch gestolpert, an dem mehrere Mädchen in hautengen Kleidern saßen, die Angie finster anstarrten.
    »Oh, Verzeihung.« Angie richtete sich auf und suchte sich einen Platz, wo sie sicher stehen konnte. Der Zigarettenrauch

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