So unerreichbar nah
zur Ordnung. Paul
konnte mit Kindern nichts anfangen…
In meinen
vier Wänden angekommen, stellte ich den Männern mein gut bestücktes Bücherregal
als Baumaterial für ihr Parkhaus zur freien Verfügung und verschwand mit Johanna
ins Bad, um dort einen Handspiegel, meine Haarbürsten, -Kämme, -Gummis und
-Spangen zu suchen. Als wir alles beieinander hatten, richteten wir im
Wohnzimmer, weitab von der Baustelle, auf meinem Lieblingssessel den
Friseursalon ein. Johanna spielte die anspruchsvolle Kundin und verlangte: »Eine
Ballfrisur, bitte.«
Ich teilte
von ihrem langen Haar Strähnen ab, drehte diese kunstvoll ineinander und
steckte sie dann auf ihrem Hinterkopf fest. Hochzufrieden, nachdem vor allem
Lucas sie ausgiebig bewundert hatte, nötigte sie mich, im Frisierstuhl Platz zu
nehmen. Von meinem Platz aus hatte ich direkten Ausblick auf die Baustelle.
Während Johanna meinen Nackenzopf löste und mein Haar äußerst vorsichtig
durchkämmte, sah ich Lucas feixen, als er das Regalfach mit den Liebesromanen
entdeckte. Er verdrehte die Augen, als er mir grinsend den Bucheinband des
ersten Teils einer erotischen Liebesschnulze mit dem Titel "Verbotenes
Begehren - gefährliche Liebe" entgegenhielt, auf dem sich zwei schöne,
nur halbbekleidete Menschen hingebungsvoll küssten. Er überflog den Klappentext
und sah mich gespielt schockiert an.
Ich hätte
mich ohrfeigen können. In meinem Bestreben, Lisa zu entlasten, hatte ich nicht
bedacht, dass Lucas nun präzisen Einblick in meinen Lesestoff erhielt. Leider
bestand dieser neben einigen Sachbüchern größtenteils aus Trivialliteratur von
Autoren wie Danielle Steel, Rosamunde Pilcher, John Grisham sowie einigen
Exemplaren der eben erwähnten Sorte Erotikliteratur, welche seit dem Erfolg von
Shades of Grey salonfähig geworden war.
Ich
schüttelte warnend den Kopf und deutete unauffällig mit den Augen auf Tim, der
laut vor sich hin brummend auf dem Boden einen Auffahrunfall produzierte, in
welchen - autsch - ein schwarzer Porsche verwickelt war. Lucas´ Mundwinkel
zuckten amüsiert, als er das Fach weiter inspizierte, die Bücher aber wieder
zurückstellte, sofern sie keine kindgerechten Titelbilder enthielten. Mich juckte
es in den Fingern. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und hätte ihm das Zeug
aus der Hand gerissen. Johanna tadelte mich, ich solle stillhalten, sonst würde
sie sich "verschneiden".
Glücklicherweise
war das Kind schlau genug, nur so zu tun, als würde sie mir - indem sie Zeige-
und Mittelfinger ihrer Hand als "Schere" benutzte - die Haarspitzen
kürzen.
Als Lisa auf
meinem Handy anrief, um uns zu Tisch zu bitten, war die Parkgarage fertig. Für
das schönste Auto, einen roten Ferrari, hatten wir auf meinen Vorschlag hin
eine Extragarage gebaut. Besonders stolz war ich auf meine Idee, für deren Dach
meinen Kindle zu benutzen und diesen in der Hülle dergestalt zu platzieren,
dass die Umschlagklappe als Garagentor fungierte.
Tim und Lucas
zeigten sich zutiefst erstaunt darüber, dass eine Frau zu solch technisch
versierten Überlegungen fähig war und noch mehr punktete ich, als ich meinen
Porsche erwähnte.
Johanna
hatte, was meine neue Frisur anging, Gnade walten lassen. Sie befand, dass
meine Haarpracht offen am schönsten aussah und hatte mir lediglich an einer
Seite ein winziges Zöpfchen hineingeflochten. Dafür hatte nach mir ihr Onkel dran
glauben müssen.
Sein dichter
dunkelbrauner Haarschopf wurde jetzt von diversen neonfarbenen Haarclips in
Herz-, Blumen- oder Schmetterlingsform geschmückt. Mit bewundernswerter
Gelassenheit ließ er die Spangen auch nach dem Friseurbesuch drin. Ich konnte
mich nicht beherrschen und erklärte ihm, diese Frisur verleihe ihm endlich das
gewisse Etwas, nachdem er sonst eher farblos wirke. Er drohte mir lachend mit
dem Zeigefinger.
Die Kinder
wollten bei ihren Spielsachen bleiben und so einigten wir uns, bei mir in der
Wohnung zu essen. Lucas ging nach oben, um Lisa beim Heruntertragen der Töpfe
zu helfen, während die Kinder und ich den Esstisch deckten. Ein kritischer
Moment trat ein, als Johanna, während sie die Teller aus meinen Geschirr-Schrank
holte, die gutgefüllte Zuckerdose darin entdeckte. Misstrauisch sah sie mich in
Sherlock-Holmes-Manier an.
»Du hast doch
gesagt, du hättest keinen Zucker. Die Dose ist aber noch halbvoll mit
Zuckerstückchen!«
Ich stand
kurz davor, mich vor einer Erstklässlerin zu blamieren. Heilfroh darüber, dass
Lucas nicht hier war, entgegnete ich
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