So unerreichbar nah
rasch:
»Oh, daran
habe ich gar nicht mehr gedacht. Ich habe nur in der Küche nachgesehen und die
Packung mit dem Rieselzucker ist leer.«
Schnell lenkte
ich sie ab, indem ich ihr eine einfache Technik zum Serviettenfalten zeigte.
Wenig später
saßen wir wie eine Großfamilie an meinem Tisch und überboten uns darin,
Spagetti auf der Gabel aufzuwickeln. Lisa, der die Auszeit sichtlich gut getan
hatte, wusste, dass Lucas die Kinder in einer Stunde zu ihren Eltern
zurückbrachte und war dementsprechend gut gelaunt. Nicht einmal die gespielt
unschuldige Bemerkung Johannas, dass bei ihrer Mama die Nudeln aber nicht so
matschig wären, brachte sie auf die Palme. Milde erklärte sie der Kleinen:
»Ist doch
klar, dass deine Mama besser kocht als ich. Ich bin halt keine Mama.«
Aus ihrem
letzten Satz war deutlich herauszuhören, dass sie über diesem Umstand sehr
glücklich war. Lucas blickte sie irritiert an und sie strahlte unschuldig
zurück.
Als sie
gegangen waren, kam mir meine Wohnung plötzlich viel zu groß und zu leer vor. Ich
sonnte mich in der Erinnerung an Lucas´ herzliche Umarmung und den liebevollen
Blick, als er sich bei mir für den schönen Nachmittag und für meine nette
Unterstützung bedankt hatte.
Seine
allerletzte Bemerkung allerdings warf mich wieder aus der Bahn. Lisa und die
Kinder waren bereits außer Hörweite, als er mit diesem schiefen Lächeln,
welches eindeutig verboten gehörte, weil es so eine fatale Wirkung auf mich
ausübte, raunte:
»Deine
Freizeitlektüre ist übrigens hochinteressant. Interessiert dich die Handlung
nur in der Theorie oder setzt du sie auch in die Praxis um?«
Engelchen
quäkte mit glänzenden Augen von seiner Wolke herab:
Mit dir zusammen
gerne praktisch!
Ich versetzte
dem vorlauten Biest einen imaginären Schlag aufs Hinterteil. Diese Antwort kam
überhaupt nicht infrage. Verzweifelt suchte ich nach einer passenden,
unverfänglichen Entgegnung. Meine Schlagfertigkeit hatte mich im Stich gelassen.
Die funktionierte nur bei Menschen, deren Meinung mich kaltließ. Und so fauchte
ich lediglich halb verlegen, halb wütend:
»Such dir was
aus!«, während er laut lachend Richtung Hauseingang den anderen hinterher lief.
Als sie alle
weg waren, erschlug mich die plötzliche Stille in der Wohnung beinahe. Deshalb
schaltete ich, während ich mich im Bad Zähne putzte, mein Radio ein, um prompt
den Song "Troublemaker" zu hören, der Lucas für mich perfekt
beschrieb. Der Gedanke an ihn ließ mich nicht mehr los, fühlte sich verdammt
gut an und tat gleichzeitig höllisch weh.
TAKEN BY SURPRISE
»Frau Achern,
wäre es möglich, dass auch Sie morgen gegen siebzehn Uhr zusammen mit Max und
Johannes zur wöchentlichen Fortbildung erscheinen? Ich halte es für enorm wichtig,
sich gerade in unserem hochsensiblen Bereich weiterzubilden, um die jeweils
neuesten Therapie-Ansätze zu beherrschen. Das sind wir unseren Klienten
schuldig. Die letzten beiden Male haben Sie leider versäumt, zu erscheinen.«
Ich war an
diesem Montagmorgen noch keine zwei Stunden an meinem Arbeitsplatz und schon sorgte
unser Neuzugang Franziska in der Praxis dafür, dass mein Gute-Laune-Pegel ins
Unterirdische abglitt. Nach meiner ersten Behandlungsstunde an diesem Morgen
platzte sie ungefragt einfach in mein Büro.
Max und
Johannes hatten mir vor einigen Tagen bereits voll Begeisterung von diesen neu eingeführten
"Fortbildungen" berichtet.
Die wurden,
wie sollte es auch anders sein, von Franziska veranstaltet, die sich herabließ,
uns Wald- und Wiesen-Therapeuten in die komplizierte Materie der höheren
Psychologie einzuführen.
Ich hatte nur
mit halbem Ohr hingehört, da ich augenblicklich mit meinen Patienten, ihren
sichtlichen Fortschritten und Alicia, deren Behandlung gerade meine Nachmittage
ausfüllte, vollauf beschäftigt war.
Was bitte
fiel der dämlichen Kuh ein, so zu tun, als ob diese hohlen Vorträge, die sie
hielt, Pflichtveranstaltungen waren? Ich hatte - um im angesagten Jugendslang zu
sprechen - Null Bock auf Franziskas Geschwätz und den Verdacht, dass meine
Kollegen deshalb von diesen Vorträgen angetan waren, weil sie Franziskas
scharfe Outfits und ihre körperlichen Vorzüge dann eine Stunde lang ungeniert
anstarren durften. Da ich an mir bisher keinerlei lesbische Neigungen
festgestellt hatte - im Gegenteil, der Gedanke, dass mich eine Frau in
sexueller Absicht berührte, stieß mich völlig ab - interessierte sie mich weder
fachlich noch rein optisch.
Ich
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