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So unerreichbar nah

So unerreichbar nah

Titel: So unerreichbar nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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früherer
Patient Jürgen - der Neandertaler - war eben dabei, sich auf Strümpfen mit den
Schuhen in der Hand zur Ausgangstür zu schleichen, während ihm Franziska von
ihrer Bürotür aus nachsah und bei meinem erneuten unerwarteten Anblick einen
tiefen resignierten Seufzer von sich gab. Jürgen, dem sein weißes Hemd über der
Hose hing, blickte mich panisch an, nahm buchstäblich die Beine in die Hand und
war mit einem Satz durch die Eingangstür nach draußen verschwunden.
    Die
Schlampe hat ihn nicht therapiert, sondern verführt!
    Ich jubelte
innerlich. Jetzt hatte ich sie in der Hand! Es lag in der persönlichen Verantwortung
eines jeden Therapeuten, seine Rolle strikt auf Therapie zu beschränken.
Niemals durfte ein Therapeut irgendwelche gefühlsmäßigen oder körperlichen
Abhängigkeiten zwischen sich und dem Patient entstehen lassen. Neben der
moralischen Verwerflichkeit war dieses Verhalten strafbar. Diese Grundsätze
wurden einem bereits zu Beginn des Studiums eingebläut.
     
    Und unser
Superstar, die Frau, die psychologische Gutachten schrieb und Fortbildungen für
meine Kollegen abhielt, hatte meinen Patienten abgeworben und ein Verhältnis
mit ihm angefangen! Leider hatte ich die beiden nicht mit heruntergelassenen
Hosen in voller Fahrt erwischt. Dann hätte ich sie mit meinem Handy filmen und bei
Youtube einstellen können.
    Ich blickte
sie verächtlich an. Meine Blase drückte allerdings derart, dass ich erst einmal
wortlos in den Waschraum verschwand. Ich ließ mir viel Zeit und war gespannt,
ob sie sich einer Aussprache mit mir stellen oder in der Zwischenzeit
verschwinden würde.
    Sie hatte
gute Nerven. Kaum kam ich wieder in den Vorraum, trat sie, nun in
Overknee-Stiefeln mit hohen Absätzen, auf mich zu und erklärte unverfroren:
    »Frau Achern,
ich denke, Sie haben eben einen völlig falschen Eindruck gewonnen.«
    »Ich denke,
ich habe genau den richtigen Eindruck gehabt, Frau Klausen«,
    schoss ich
sarkastisch zurück. »Sie haben Herrn Lauters heute Abend zu einem
Schäferstündchen einbestellt, da Sie nicht mit meiner Anwesenheit gerechnet
haben! Er ist bei Ihnen in Behandlung und steht damit in einem
Abhängigkeitsverhältnis. Das wird ein Nachspiel haben.«
    Ihr Gesicht
verzog sich zu einem kalten Lächeln.
    »Ich würde
mir an Ihrer Stelle genau überlegen, was ich tue, Frau Achern. Sie haben
keinerlei Beweise und es stehen im Ernstfall zwei Aussagen gegen eine. Jeder
hier in der Praxis weiß, dass Sie mich nicht leiden können und am liebsten gar
nicht eingestellt hätten. Zwei Ihrer Patienten sind zu mir übergelaufen. Da
wird auch die Staatsanwaltschaft denken, Sie wollten mir einfach etwas
anhängen!«
    Ich knirschte
unhörbar mit den Zähnen. Das unverfrorene Luder wagte es, mir zu drohen! Aber
sie hatte Recht. Solange ich nicht Beweise für meine Behauptung vorlegen
konnte, würden natürlich auch meine verblendeten Kollegen denken, ich sei
einfach rachsüchtig. Ich ließ die gestiefelte Schlange wortlos stehen und ging
in mein Büro zurück, wo jetzt natürlich an Verwaltungsarbeit nicht mehr zu
denken war.
     Angestrengt
hirnte ich, wie ich Franziska drankriegen könnte. So panisch, wie Jürgen ausgesehen
hatte, würde er niemals zugeben, dass sie ihn mit Sex "therapierte".
    Ich holte mir
die Mappe, in welcher ich die Kopien ihrer sagenhaften Referenzen und Zeugnisse
abgeheftet hatte. Ich war bei ihrer Einstellung viel zu blauäugig gewesen,
hatte Johannes und Max vertraut, die für Franziska damals schon die Hand ins
Feuer legten. Ich hatte meinen Kollegen jedoch nicht erzählt, dass ich mir
Kopien gezogen hatte. Nun war ich wild entschlossen, diese Zeugnisse und
Empfehlungen selbst gründlich zu überprüfen. Ich steckte alles in meine
Umhängetasche, ging nach draußen und schloss ab. Sollte Franziska noch irgendwo
hier sein, musste sie sehen, wie sie heraus kam. Wenig später sank ich müde in
mein Bett. Der Tag war anstrengend gewesen. Es würde noch einige Zeit dauern,
bis ich wieder meine normale Form erreichte.
    Gleich am
kommenden Morgen begann ich mit meinen Nachforschungen. Zunächst überprüfte ich
ihr Abschlusszeugnis von der Uni. Meine telefonischen Recherchen ergaben, dass
tatsächlich eine Franziska Klausen dort ihren Abschluss in Psychologie gemacht
hatte.
    Als nächstes
rief ich in der psychiatrischen Klinik an, in welcher Franziska vor ihrem
Sabbatjahr in den USA die Stelle der leitenden Oberärztin innegehabt hatte und
ließ mich dort mit ihrem Nachfolger

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