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So unerreichbar nah

So unerreichbar nah

Titel: So unerreichbar nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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Ihre geheuchelte Freundlichkeit zerrte an
meinen Nerven.
    »Frau Achern,
wie nett, schon wieder von Ihnen zu hören! Geht es Ihnen schon besser? Sie
haben gestern Abend sehr angeschlagen ausgesehen.«
    Warte, du
Miststück, wie angeschlagen du bald aussehen wirst!
    Ich erklärte
ihr, dringend unter vier Augen mit ihr sprechen zu müssen und fragte sie, ob
wir uns auf einen Kaffee in der Nähe der Praxis treffen könnten. Natürlich
würde ich keinesfalls mit ihr in dieses gemütliche kleine Kaffee gehen, in
welchem ich mit Lucas gesessen hatte. Diese kostbare Erinnerung wollte ich mir
von Franziska nicht versauen lassen.
    Wir
verabredeten uns für drei Uhr nachmittags in der Innenstadt.
    Für dieses
Treffen wollte ich optisch und kleidungsmäßig gerüstet sein. Und da ich wusste,
wie sorgfältig sie sich normalerweise herrichtete - bis auf die Begegnung in
der Praxis, aber da hatte sie mit mir nicht gerechnet - wollte ich ihr in
nichts nachstehen. Rock oder Kleid erschien mir wegen meiner Krücken und der
flachen Schuhe, die ich immer noch tragen musste, weniger geeignet.
    Deshalb
entschied ich mich für eine cremefarbene Five-Pocket-Jeans mit cremeweißem
weichen Cashmere-Rolli darüber, trug cognacfarbene Schaftstiefel, zog meine
cognacfarbene Lederjacke an und legte dezente Schminke auf. Nach einem letzten
zufriedenen Blick in meinen Garderobenspiegel verließ ich das Haus.
    Auf in den
Kampf, Torero!
    Sonst war ich
wirklich nicht schadenfroh, wünschte meinen Mitmenschen auch nie etwas Böses,
aber auf diese Begegnung mit Franziska freute ich mich. Ich wollte ihr endlich
diese Maske aus grenzenloser Selbstüberschätzung vom Gesicht reißen.
    Sie war
natürlich noch nicht im Café, obwohl es bereits fünf Minuten nach drei war. Wie
immer spielte sie auch hier ihr Machtspielchen mit mir, wer auf wen zu warten
hatte. Ein paar Minuten, nachdem ich an einem Zweiertischchen in einer Nische
Platz genommen hatte, rauschte sie ins Lokal und sah sich suchend um. Ihr
knallroter, gut geschnittener Mantel, die roten Pumps sowie die lange blonde
Mähne sorgten dafür, dass sich kurzfristig die Blicke fast aller Anwesenden auf
sie richteten. Widerwillig musste ich mir eingestehen, dass sie toll aussah.
Kein Wunder, dass sie bei der männlichen Bevölkerung leichtes Spiel hatte. Noch
während sie mitten im Raum stand und sich suchend umsah, zog sie ihren Mantel
aus. Darunter kam ein Ensemble aus figurbetonter roter Bluse mit schwarzem
Bleistiftrock zum Vorschein. Die Farben der Hölle! Wie passend, dass ich mich
in unschuldig strahlendes Creme-Weiß gehüllt hatte. Da war doch schon äußerlich
klar ersichtlich, wer von uns beiden die Böse verkörperte!
    Sie erkannte
mich, steuerte entschlossen auf mich zu, legte ihren Mantel auf einen freien
Stuhl und reichte mir die Hand, wobei sie mit einem falschen strahlenden
Lächeln ihre makellos weißgebleichten Zähne entblößte.
    »Frau Achern,
ich freue mich, dass Sie sich jetzt doch entschlossen haben, mit mir eine
normale kollegiale Beziehung zu pflegen, nachdem der Beginn unserer
Bekanntschaft ja eher unglücklich gelaufen ist.«
    Für dich
wird es gleich noch ein wenig unglücklicher laufen, du Pharisäerin.
    Ebenso
falsch-freundlich bleckte ich meine Zähne.
    »Nun ja, Frau
Klausen. Zu gerne würde ich mit Ihnen wirklich auf kollegialer Ebene verkehren
wollen. Aber leider ist mir aus einer sehr sicheren Quelle zu Ohren gekommen,
dass Sie sich alles andere als berufskonform verhalten. Diese Information hat
auch meinen Eindruck von neulich Abend - Sie wissen schon, Ihr Intermezzo mit
Herrn Lauters - bestätigt.«
    Ich machte es
kurz und schmerzvoll für sie, konfrontierte sie unverblümt mit meinem neuerworbenen
Wissen um ihre "Arbeitsüberlastung", wegen der sie angeblich von der
Klinik weggegangen war und drohte ihr an, wenn sie unsere Praxisgemeinschaft
nicht unverzüglich ebenso "freiwillig" verließe, würde ich Max und
Johannes aufklären und sie bei der Psychotherapeutenkammer und der
Staatsanwaltschaft anzeigen. Ich sagte ihr natürlich nicht, woher ich meine
Informationen bekommen hatte und drohte ihr, sie im Auge zu behalten. Sollte
ich erfahren, dass sich an ihrem unprofessionellen Verhalten nichts änderte, würde
ich entsprechende Maßnahmen gegen sie einleiten.
     
    Schlagartig
war sie blass geworden und ihr Gesicht verzog sich gehässig. Komisch, jetzt sah
sie nicht mehr wie irgendeine Schauspielerin oder ein Model aus. Eher wie eine
Hexe. Aber sie war keine dumme

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