So unerreichbar nah
dessen
Folgen. Sie hatte vollstes Verständnis dafür.
»Weißt du
Tessa«, vertraute sie mir an, »ich hatte insgeheim immer Bedenken, ob du auf
Dauer mit Paul glücklich geworden wärst. Er kam mir ein wenig selbstsüchtig
vor. Aber ich dachte mir, ich mische mich da nicht ein. Du bist alt und klug
genug, um eine Beziehung zu führen. Und Lisa ist jetzt hoffentlich auch so
weit.«
Natürlich
konnte ich der Mutter meiner Freundin keinesfalls meine Liebe zum Freund ihrer
Tochter beichten. Elsa war begeistert von ihm und hatte mir ihre Hoffnung, Lisa
möge mit ihm endlich den Richtigen gefunden haben, gestanden. Und ich hatte ihr
mit wehem Gefühl in der Herzgegend beigepflichtet.
Ich plante,
ab der kommenden Woche wieder in der Praxis zu arbeiten. Ich wollte mit einigen
Stunden pro Woche anfangen und hatte bereits Silvia informiert, meine Patienten
einzubestellen.
Meine
Physiotherapeutin hatte mir endlich grünes Licht fürs Autofahren gegeben. Ich
machte mit Elsa zusammen eine Probefahrt. Sie hatte noch nie in einem Porsche
gesessen und freute sich wie ein Kind, als ich spaßeshalber an einer eben grün
gewordenen Ampel aufs Gaspedal drückte und einen jungen Mann in einem BMW auf
der Nebenspur, der uns die ganze Ampelwartezeit über auffordernde Blicke zuwarf
und seinen Motor hatte aufheulen lassen, "versägte".
Solche
Spielchen vermied ich normalerweise, um den gängigen Vorurteilen der anderen
Autofahrer nicht noch Vorschub zu leisten. Aber heute gönnte ich mir diese
Genugtuung, weil ich mich so freute, wieder mein geliebtes Auto steuern zu
dürfen.
Als Elsa am
Spätnachmittag nach Dachau zurückgefahren war, fühlte ich mich zu
unternehmungslustig, um den gesamten Abend in meiner Wohnung zu verbringen.
Mutig
beschloss ich, in die Stadt zu fahren und nach fast dreiwöchiger Abwesenheit
mein Praxisbüro aufzusuchen, um in aller Ruhe und ohne dass mich meine Kollegen
stören konnten, meinen liegengebliebene Verwaltungskram aufzuarbeiten. In der
Regel waren die Büroräume ab etwa halb sieben Uhr abends verwaist.
Um sieben
betrat ich mit meinem Schlüssel unseren Anmeldebereich. Silvias Arbeitsplatz
lag penibel aufgeräumt vor mir, der Computer war ausgeschaltet. Im Halbdunkel
erkannte ich das Bestellbuch aufgeschlagen vor mir auf dem Tresen liegen. Es
war ein seltsames Gefühl, in der Dämmerung und ohne den üblichen Bürobetrieb
und Geräuschpegel hier zu stehen. Ich griff über die Anmeldetheke, um den
Hauptschalter zu finden, mit welchem ich sämtliche Lichter auf einmal
einschalten konnte, als ich plötzlich Geräusche hörte. Es klang wie ein
Rascheln. Alarmiert blickte ich mich um. Alle Türen, die zu unseren Büros
führten, waren fest geschlossen. War jemand eingebrochen? Ich spürte, wie mir
in der Magengegend mulmig wurde. Es war keine gute Idee gewesen, allein und
ohne jemandem Bescheid zu sagen, hierher zu kommen. Entschlossen betätigte ich
den Hauptschalter und es wurde hell. Gleichzeitig erschrak ich beinahe zu Tode,
als sich die Tür zu Franziskas Behandlungszimmer öffnete und sie im Türrahmen
erschien.
»Frau Achern!
Was machen Sie hier? Ich dachte, Sie kommen erst nächste Woche wieder?«
Irgendetwas
war seltsam an ihrem Verhalten. Wieso war der Raum hinter ihr dunkel? Was zum
Teufel machte sie um diese Zeit hier? Ich hatte aufgrund ihres leicht panischen
Untertons den Verdacht, Johannes und Max dürften nichts von ihrem abendlichen
Hiersein wissen. Außerdem stellte ich mit Genugtuung fest, dass sie heute im
Gegensatz zu ihrem gewohnt perfekten Styling schlampig wirkte, nicht mehr wie
Gwyneth, sondern eher wie eine ungeschminkte, zu dürre Kate Moss mit strähnigen
Haaren rüberkam. Unter ihrem violetten Langarmshirt und der knallengen Jeans
lugten ihre nackten Füße hervor. Manikürte sie im Büro ihre Zehennägel? Oder
übte Feuerlaufen?
Unwirsch
schüttelte ich den Kopf. Es konnte mir vollkommen egal sein, was sie hier tat. Ärgerlich
war nur, dass ich ausgerechnet sie hier antreffen musste.
Ich begrüßte
sie und erklärte ihr kühl, Verwaltungskram machen zu wollen, ließ sie stehen
und ging in mein Büro. Wenige Sekunden später verspürte ich ein dringendes
Bedürfnis. Ich hatte nachmittags zu viel Kaffee getrunken. Seufzend stand ich
auf, hoffte, Franziska sei entweder gegangen oder säße in ihrem Büro bei
geschlossener Tür und begab mich auf den Weg zur Toilette. Und schlagartig
erkannte ich den Grund dafür, warum sie im Dunkeln hier war. Mein
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