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So unerreichbar nah

So unerreichbar nah

Titel: So unerreichbar nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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falsch
verhalten und das tut mir aufrichtig leid. Aber ich liebe dich.«
    Er machte
einen Schritt auf mich zu, ich wich automatisch zurück und wäre beinahe
gestolpert. Verdammt, der Idiot brachte es fertig, dass ich mir wegen ihm auch
noch das gesunde Bein brach!
    Lucas, mein
Held, wo bist du? Schaff mir diesen Kerl aus den Augen!
    Wütend fuhr
ich ihn an:
    »Paul,
kapierst du denn gar nichts? Ich.Will.Dich.Nicht.Sehen. Nimm deine Blumen und
geh. Lass mich in Ruhe.«
    Er gab nicht
auf. Paul konnte sehr hartnäckig sein, das wusste ich aus leidvoller Erfahrung.
Oft genug hatte er mich allein durch sein Beharrungsvermögen zu Unternehmungen
genötigt, auf die ich keine Lust verspürte. Jetzt griff er mit seiner freien
Hand in seine Manteltasche und zog ein kleines Kästchen hervor.
    »Ich wollte
das hier eigentlich nicht auf dem Flur erledigen. Aber du lässt mir ja keine
Wahl.«
    Mit
schwungvoller Geste ließ er das kleine schwarze Schächtelchen mit der goldenen
Aufschrift direkt vor meinen Augen aufschnappen. Irgendetwas Goldenes blitzte
auf und noch bevor ich realisierte, dass es sich um einen Ring mit einem
dunkelblauen, sehr teuer aussehenden Stein handelte, hörte ich ungläubig Pauls
theatralische Frage:
    »Tessa,
willst du meine Frau werden?«
    Ich traute
meinen Ohren nicht. Auf diese Frage hatte ich insgeheim die gesamten ersten
beiden Jahre unserer Beziehung gehofft. Paul hatte sich ständig über Freunde
lustig gemacht, die »an die Kette gelegt wurden«, sprich, ihre Freundinnen
heirateten. Nie hatte er mich auf eine Hochzeit von einer meiner Freundinnen
begleitet.
    »Für unsere
Liebe brauchen wir weder eine gesetzliche noch eine kirchliche Erlaubnis« war
sein ständiges Credo gewesen. Im letzten Jahr hatte auch ich zunehmend daran zu
zweifeln begonnen, ob wir beide wirklich für eine Ehe taugten. Seit genau zwei
Wochen war mir sonnenklar geworden, dass dem nicht so war. Und jetzt, wo der
Mistkerl spürte, dass ich ihm entglitt und nicht mehr gewillt war, seine
Spielchen mitzumachen, kam er mit einem Heiratsantrag daher.
    Gespannt
beobachtete er mein unbewegtes Gesicht.
    »Tessa?
Freust du dich denn gar nicht? Ich habe begriffen, dass du die einzige Frau für
mich bist, die ich heiraten möchte.«
    Um genau zu
sein, hatte er realisiert, dass ich die einzig Blöde war, die seine ständigen
Egotrips hingenommen hatte. Mein Bein begann wieder zu schmerzen, da die
Wirkung der Tabletten nachgelassen hatte. Blinde Wut wallte in mir hoch. Ich
holte tief Luft. Engelchen feuerte mich mit wildem Gehüpfe und zwei durch die
Luft geschwenkten Pompons wie eine Cheerleaderin an.
    »Nimm
verdammt noch mal deine Blumen und deinen Ring und steck sie dir sonst wohin,
Paul. Ich will weder Geschenke von dir, noch deine Gesellschaft und schon gar
nicht werde ich dich heiraten. Du hast glücklicherweise schon vor einer Ehe
bewiesen, dass man verlassen ist, wenn man sich auf dich verlassen möchte. Ende
der Durchsage.«
    Mit Schwung
schlug ich meine Tür von innen zu und lehnte mich, auf meine Krücken gestützt, mit
dem Rücken dagegen. Ich atmete tief ein und aus und lauschte angespannt.  
    »Tessa? Ich
weiß, dass du sauer auf mich bist. Lass mich rein, dass wir in Ruhe über alles
reden können.«
    Ich blendete
ihn einfach aus und ließ noch einmal den Film in meinem Kopf ablaufen, wie ich
mich da oben auf dem Berg, allein liegend, gefühlt hatte, bis endlich Lucas
gekommen war. Irgendwann hörte ich an den sich entfernenden Schritten, dass er
endlich aufgegeben hatte. Mühsam humpelte ich ins Schlafzimmer und setzte mich
auf mein Bett.
    Mein
Hochgefühl darüber, dass ich ihm die Meinung gesagt und mich behauptet hatte,
wich schlagartig einer tiefen Traurigkeit. Ich hatte eben den einzigen
Menschen, der zu mir gehörte und dem offensichtlich so viel an mir lag, dass er
mich heiraten wollte, für immer fortgeschickt.
    Er hat
dich da oben auf dem Berg im Stich gelassen! Du warst bereits seit Monaten
unglücklich mit ihm. Es ist gut, dass du endlich einen Schlussstrich gezogen
hast.
    Aber die
Stimme der Vernunft ging in meinem Gefühlswirrwarr unter. Ich war
mutterseelenallein. Ich hatte niemand mehr, mit dem ich meine freien Abende,
meine Wochenenden und Urlaube verbringen konnte. Und Lisa hatte Lucas. Langsam
ließ ich mich auf mein Kopfkissen gleiten. Und da lag ich nun und heulte mir
die Augen aus. Ich fühlte mich entsetzlich einsam und hatte Angst vor dem kommenden
Tag. Eigentlich vor allen Tagen, die noch kommen

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