So unerreichbar nah
verbinden. Ich stellte mich diesem Dr. Mühlhaus
kurz vor, erklärte nicht ganz wahrheitsgemäß, Franziska Klausen habe sich bei
uns um eine freie Praxismitarbeit beworben und ob er mir etwas zu ihrer Person
sagen könne.
Er wich mir
mit vielen nichtssagenden Worten bewusst aus. Ich konnte seine Verlegenheit förmlich
mit Händen greifen.
»Frau Klausen
war, als ich anfing zu arbeiten, nur noch wenige Monate hier. Ich weiß, dass
sie viele Gutachten verfasst und Vorträge vor Kollegen gehalten hat. Aber mehr
kann ich Ihnen leider auch nicht sagen.«
Das waren
seine abschließenden Worte. Er beeilte sich, unser Gespräch zu beenden. Meinem
Geschmack nach hatte er es ein wenig zu eilig gehabt, den Hörer aufzulegen. Ich
starrte aus meinem Wohnzimmerfenster in den blauen Himmel, wo gerade ein
Flugzeug einen weißen Kondensstreifen hinter sich herzog und dachte intensiv
nach. Wie ein Trüffelschwein, das die begehrten Pilze riecht, verbiss ich mich
in meine Wühlerei nach einem dunklen Punkt in Franziskas Vergangenheit. Wen
konnte ich noch über sie befragen?
Silvias
rotblonder Wuschelkopf erschien vor meinem inneren Auge. Wir hatten sie zu Beginn,
als wir die Praxis neu eröffnet hatten, mehrfach darauf aufmerksam machen
müssen, dass sie unter Schweigepflicht über alle Vorgänge in der Praxis stand.
Silvia redete gern und viel und manchmal erzählte sie Patienten immer noch mehr
über uns Therapeuten, als sie eigentlich durfte.
Das war es!
Ich durfte nicht oben mit meinen Recherchen beginnen, sondern auf der unteren
Ebene. Bei Sekretärinnen, Schwestern oder Pflegern.
Erneut wählte
ich die Nummer der Klinik, ließ mir wieder die Sekretärin von Dr. Mühlhaus
geben, die mich vorhin an ihn weiterverbunden hatte. Ich entschuldigte mich bei
ihr für die erneute Störung und packte dann den Stier bei den Hörnern.
»Hören Sie,
eben wollte ich von Ihrem Chef ein paar Informationen über seine Vorgängerin,
Frau Klausen. Aber er hat mich mit absoluten Nichtigkeiten rasch abgespeist.
Ich habe bei Frau Klausen, die bei uns in der Praxis mitarbeiten möchte, ein
sehr ungutes Gefühl. Können Sie mir eventuell weiterhelfen?«
Ich hielt den
Atem an und hoffte, sie könne frei sprechen. Nach einer langen Pause hörte ich,
wie sie ihrerseits tief Luft holte.
»Ihre Ressentiments
sind mehr als berechtigt. Frau Klausen ist hier intern gegangen worden, sie hat
die Klinik nicht freiwillig verlassen.«
Volltreffer! Ich
setzte mich aufrecht in meinen Stuhl.
»Wären Sie
bereit, mir den Grund dafür zu nennen?«
Sie seufzte.
»Selbst wenn
ich dafür in Teufels Küche komme, falls das rauskommt, ja. Nennen Sie es von
mir aus rachsüchtig. Aber durch Franziska, wie ich sie scheinheiligerweise
nennen durfte, hätte ich um ein Haar meinen Job verloren. Ich bin
alleinerziehend und auf mein Gehalt angewiesen. Ich habe mitbekommen, dass
meine damalige Chefin zu mehreren der hier angestellten Ärzte, auch zu meinem
jetzigen Chef, sexuelle Beziehungen unterhielt. Und was noch schlimmer war, sie
begann gleichzeitig ein Verhältnis mit einem ihrer Patienten. Als sie merkte, dass
ich Bescheid wusste, kündigte sie mir. Ich habe mich gegen sie gewehrt, den
anderen Ärzten und ihr gedroht, mit meinem Wissen zur Klinikleitung zu gehen.
Ihre Liebhaber haben es mit der Angst zu tun bekommen, sich ihr Schweigen mit
einem Superzeugnis erkauft und sie genötigt, die Klinik zu verlassen. Ich sage
Ihnen eins, die Frau ist keine Psychologin, die ist eine psychopathische
Nymphomanin!«
Wow, was für
eine fundierte Diagnose, und das von jemandem, der keinerlei psychologische
Ausbildung hatte. Vermutlich färbte der Aufenthalt in einer psychiatrischen
Klinik auch auf die nichtärztlichen Mitarbeiter ab. Innerlich jubelnd stieß ich
meine rechte Faust in die Luft. Jetzt kam es nur noch darauf an, ob die gute
Fee am anderen Ende der Leitung bereit wäre, dies im Notfall auch vor Gericht
zu bezeugen.
Ich fragte
sie danach, erklärte ihr aber, ich würde zunächst versuchen, das Ganze
außergerichtlich zu klären. Mir käme es nur darauf an, für den Ernstfall eine
glaubwürdige Zeugin zu haben. Resigniert erklärte sie:
»Wenn es
unbedingt sein muss, würde ich das tun, ja. Aber ich wäre wirklich froh und
dankbar, wenn ich von dieser Frau nichts mehr sehen und hören müsste.«
Darin waren
wir beide uns völlig einig.
Mein nächster
Schachzug bestand darin, bei uns in der Praxis anzurufen und mich von Silvia
mit Franziska verbinden zu lassen.
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