So unselig schön
beiden Beinen fest auf dem Boden, wie ein Bollwerk. Während ihn das noch irritierte, begann sein Handy zu klingeln.
Bichler meldete sich. »Zweihundert Meter weiter östlich gibt es ein Kieswerk, dessen ausgebaggerte Gruben voll Wasser gelaufen sind. Dort hat jemand ein Auto versenkt. Es wird gerade geborgen. Willst du dir das ansehen?«
Gemeinsam mit Gina ging Dühnfort den Weg entlang des Abfanggrabens bis zum Kieswerk. Zwei Streifenwagen, ein Zivilfahrzeug und etliche Polizisten in Uniform standen am Rande eines Baggerlochs neben einem Abschleppfahrzeug. Dühnfort begrüßte Bichler und blickte dann auf die Wasseroberfläche, unter der das Heck eines grauen Fahrzeugs emporschimmerte. Ein Taucher in schwarzem Neoprenanzug erschien aus der Tiefe, schob die Brille nach oben, stapfte ans Ufer und hob dann den Daumen. Während er die Sauerstoffflaschen vom Rücken und die Flossen von den Füßen zog, begann sich das Seil neben ihm zu spannen. Das eine Ende verschwand im Wasser, das andere führte zu einer Winde am Abschleppwagen, die nun gestartet wurde.
Das Seil gab einen Klagelaut von sich, straffte sich und zog den Wagen aus der Tiefe, während Dieselabgase die Luft mit stinkenden schwarzen Schwaden verpesteten. Ein heller Schimmer erschien, Wellen bildeten sich. Dann tauchte das Heck des Fahrzeugs auf. Es war silberfarben. Auf der Chromleiste des Kofferraumdeckels war der Schriftzug JAGUAR eingeprägt.
***
Als Vicki ihr Rad in Untergiesing an einen Baum kettete, klingelte ihr Handy. Im Display erkannte sie die Nummer des Reisebüros. Clara meldete sich. »Dieser Serge Buthler hat gerade angerufen und wollte dich sprechen.«
»Du hast ihm doch hoffentlich nicht meine Handynummer gegeben!«
»Natürlich nicht. Er soll dich selbst darum bitten, habe ich ihm gesagt.«
Vicki fiel ein Stein vom Herzen. Aber etwas war noch. Claras Stimme hatte einen merkwürdigen Unterton. »Sonst noch was?«
Ein Seufzer klang durchs Telefon. »Er hat mich in ein Gespräch verwickelt und dabei ziemlich geschickt versucht herauszubekommen, ob du tatsächlich Mohn heißt.«
Mist! »Und was hast du gesagt?«
»Dass du meine Tochter bist und dass er dich in Ruhe lassen soll.«
Verdammte Lügerei. Ich sollte mir das endlich abgewöhnen, dachte Vicki. Langfristig betrachtet gab’s damit nur Ärger. Clara wartete auf eine Erklärung. »Der Typ ist die reinste Klette. Ich lass den weiter ins Leere laufen, dann wird er schon aufgeben.«
»Du hast ihn wirklich im Internet kennengelernt?«
»Ja.« Das stimmte zwar irgendwie, war aber trotzdem schon wieder geschwindelt.
»Ich muss mir keine Sorgen machen?«
»Nein. Ist alles im grünen Bereich, Mami«, sagte Vicki grinsend und versicherte Clara nochmals, dass es keinen Grund gab, sich Gedanken zu machen. Obwohl sie sich da mittlerweile nicht mehr so ganz sicher war.
Sie steckte das Handy in die Hosentasche, zog den Schlüssel aus dem Kettenschloss und betrat das Haus, das sie vor über zehn Jahren verlassen hatte. Nachkriegsbau. Zehn Parteien. Angegrauter Rauputz. Holzjalousien, von denen die Farbe blätterte, verbeulte Briefkästen im Hausflur. Dämmerlicht. Der Geruch nach frisch gewaschener Wäsche und ungelüfteten Betten, nach Kellermief und Pommes. Die Tür zum Hof stand offen. Teppichstange und Mülltonnen. Die Stufen knarrten noch immer. Vicki stieg in die zweite Etage und klingelte bei Renate Glinka, Omas Freundin.
Während der Mittagspause hatte Vicki sie angerufen und gefragt ob, Renate sich noch an sie erinnern könnte. »Natürlich, Mädchen. Wie geht es dir denn?«
Vicki hatte ein bisschen erzählt, und Renate hatte gesagt, sie solle sie doch mal besuchen kommen. Daraufhin hatte Vicki vorgeschlagen, das gleich heute zu tun, und damit Renate ein Lachen entlockt. »Du bist noch derselbe Wirbelwind wie damals.«
Der Duft nach frischgebackenem Kuchen zog in den Flur, als Renate öffnete. Sie sah fast noch genauso aus wie damals. Ein schmales Gesicht mit flinken Augen und vom Wandern gebräuntem Teint, in dem die Lachfalten einen helleren Ton hatten. Nur die damals graumelierten Haare waren nun ganz weiß. »Vicki, Mädchen! Gut siehst du aus!«
Die Wohnung war eng. Zwei Zimmer, Küche, Bad. Renate ging voran ins Wohnzimmer. Das sah nun ganz und gar nicht mehr aus wie früher. Die schweren Eichenmöbel und die dunkle Couchgarnitur waren verschwunden und hatten hellen Ikea-Möbeln Platz gemacht. Das kleine Zimmer wirkte dadurch größer und freundlicher.
»Als Wilhelm
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