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So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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dem Schreibtisch eingeschlafen, den Kopf in den Panzer gezogen. Vicki hob ihn behutsam auf, setzte ihn ins Terrarium und ging dann in die Kochnische, um sich einen Becher Instantkaffee zu machen.
    Sie hatte nicht geahnt, dass Clara derart sauer werden konnte. Gut, sie hatte ihr versprochen, den fehlenden Eintrag bis Mittwoch nachzuholen. Noch war ja Mittwoch, dachte Vicki und musste unwillkürlich grinsen. Ob sie die Seiten einscannen und Clara als Mailanhang schicken sollte? Dann wäre der Bericht noch pünktlich da und Claras Ausbruch umsonst gewesen. Aber das war Wortklauberei, außerdem war sie Clara dankbar für den Mordsschrecken, den sie ihr verpasst hatte, und für das Prüfungsvorbereitungsangebot. Aber vor allem dafür, dass sie Buthler so klipp und klar die Meinung gesagt hatte.
    Hoffentlich bin ich den nun los, dachte Vicki und trank einen Schluck Kaffee. Das Handy auf dem Schreibtisch gab den Signalton von sich, der den Eingang einer SMS anzeigte. Mit dem Becher in der Hand ging sie hinüber und sah nach, wer ihr um diese Zeit eine Nachricht schickte.
    Sie war von Jobst. Tut mir leid, dass ich nicht zurückgerufen habe. Das Meeting hat ewig gedauert. Darf ich dich noch anrufen? Oder schläfst du schon?
    Sie wählte seine Nummer. Seit dem Kuss vorgestern Abend hatten sie nicht miteinander gesprochen. Wie er wohl dazu stand? Nach zweimal Klingeln nahm er ab. Seine Stimme klang ein wenig unsicher, als wäre auch er sich nicht im Klaren darüber, wie es weitergehen oder ob es überhaupt weitergehen solle. Oder bildete sie sich das in ihrer Unsicherheit nur ein? Zunächst unterhielten sie sich über ein unverfängliches Thema. Jobst erzählte von der Konferenz, die er mit einigen Stadtratsmitgliedern gehabt hatte. Die Stiftung plante ein Familienzentrum, und die Stadt sollte dafür ein Haus zur Verfügung stellen.
    Klar, dass die sich bitten ließen, dachte Vicki.
    Er fragte, wie es ihr ginge, und bevor Vicki mit der Neuigkeit herausplatzen konnte, dass sie dabei war, ihren Vater aufzustöbern, und wie es dazu gekommen war, fragte er, ob sie sich noch treffen könnten. Irgendwo eine Kleinigkeit essen oder ein Glas trinken und reden?
    »Geht heute leider nicht. Ich muss mein Berichtsheft bis morgen updaten, sonst macht Clara mich einen Kopf kürzer. Wie schaut es mit morgen aus?«
    »Da bin ich leider nicht da. Morgen früh muss ich für zwei Tage nach Berlin. Schade.« Jobst klang noch immer befangen. Einen Moment war es am anderen Ende still. »Und sonst geht es dir auch gut? Du bist vorgestern so überstürzt davon …«
    Wollte er sich nun für den Kuss entschuldigen? Tat es ihm leid? Oder wollte er wissen, wie sie dazu stand? Sie war ja einfach abgehauen, wie so eine Zicke in einem Schmachtfetzen. »Ich musste dringend meine Schildkröte Gassi führen.« Vicki verkniff sich ein Lachen.
    »Hm, verstehe«, sagte er. »So ein riesiger stinkender Schildkrötenhaufen in der Wohnung wäre wirklich unappetitlich.«
    Bei seinen Worten sah Vicki so ein Hugh-Grant-Grinsen vor sich, obwohl sie den Schauspieler eigentlich nicht mochte.
    »Es war übrigens Mozart, was wir am Sonntag im Auto gehört haben. Das Klavierkonzert Nummer 23 , gespielt von Alfred Brendel und der Academy of St. Martin in the Fields unter der Leitung von Sir Neville Mariner.«
    »He, du hast echt beim Sender angerufen?«
    »Ich habe sogar die CD besorgt. Eigentlich wollte ich sie dir heute Abend geben.«
    Wow, war das nicht der Wahnsinn! Er machte sich so viel Mühe. Ihretwegen!
    »Wenn du willst, schicke ich sie dir. Gibst du mir deine Adresse?«
    Stimmt, die hatte er ja gar nicht, nur ihre Handynummer. »Ich kann auch die zwei Tage warten.«
    »Aber so hast du sie schneller und könntest vielleicht, wenn du das Konzert hörst, ein wenig …«
    Weshalb sprach er nun nicht weiter? »Ein wenig von dir träumen, meinst du?« Uuups. Weshalb hatte sie das nun gesagt? Na, irgendwer musste ja den Anfang machen.
    Sein weiches Lachen klang leise durchs Telefon. »Würdest du das denn?«
    »Keine Ahnung. Muss ich ausprobieren. Also her mit dem Konzert.«
    ***
    Kurz nach elf Uhr versuchte Dühnfort noch einmal, Wernegg zu erreichen, und hatte Glück. Einerseits, denn Wernegg meldete sich, wies aber das Ansuchen eines Besuchs um diese Zeit zurück. Er wirkte müde und erklärte, dass er morgen beruflich für zwei Tage nach Berlin müsse, ob die Fragen denn nicht Zeit bis Freitagabend hätten.
    Also stellte Dühnfort ihm nur die seiner Meinung nach

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