So unselig schön
sie neuerdings ständig Streit? Sie glaubte doch nicht etwa, er wäre derart eitel und selbstgefällig. »Ich gehe der Sache mit dem Fiat nach. Nimmst du Alois mit?«
Gina nickte.
Etwas sperrte sich in ihm. »Mir wäre lieber, er bliebe an Buthler dran.«
Ihre Haltung wurde abwehrend. Mit beiden Beinen stand sie wie verankert auf dem Linoleumboden, den Blick fest auf Dühnfort gerichtet. »War das jetzt eine Anweisung, oder ist es meine Entscheidung?«
»Wenn du es so sehen willst, dann war es eine Anweisung.« So konnte das nicht weitergehen. Er musste mit ihr reden. In aller Ruhe, vielleicht heute Abend. »Sollen wir …« Doch die Tür schlug bereits hinter ihr zu.
Er legte den Kopf in den Nacken, starrte auf die feinen Risse im Deckenputz, atmete durch und wandte sich dann wieder der Internetseite von Fiat zu.
Die Suche nach Händlern in München und Umgebung ergab sechzehn Treffer. Die gleiche Suche für Hamburg führte zu fünfzehn Treffern. Er druckte die Listen aus, besuchte die Webseiten der Händler und prüfte, welche Marken sie außer Fiat noch verkauften. Dann braute er sich den dritten Espresso des noch jungen Tages, stellte ein Glas Wasser neben die Tasse und begann zu telefonieren. Als er zum neunten Mal seine Frage stellte, ob einem guten Kunden vielleicht eine verlängerte Probefahrt gewährt würde, beispielsweise übers Wochenende, erhielt er eine positive Antwort. »Das machen wir hin und wieder«, bestätigte die Mitarbeiterin des Autohauses.
»Können Sie nachsehen, ob ein schwarzer Fiat Punto am vergangenen Wochenende für eine solche Probefahrt ausgeliehen wurde?«
Er musste einen Augenblick warten. Im Hintergrund hörte er das Klappern einer Computertastatur. Sein Kopf fühlte sich noch immer wattig an. Eine ganze Flasche Wein. Gesund war das mit Sicherheit nicht. Er füllte das Glas ein weiteres Mal mit Leitungswasser und leerte es in einem Zug.
Die Frau meldete sich wieder. »Tatsächlich. Einer unserer Vorführwagen war von Freitagabend bis Dienstagmorgen bei einem Kunden.« Sie erklärte noch, der Wagen hätte eigentlich Montag früh zurückgegeben werden sollen, was aber aus ihr unbekannten Gründen nicht geklappt habe.
Dühnfort fragte nach dem Kennzeichen und wo sich der Wagen jetzt befand.
Wie sich herausstellte, machte einer der Verkäufer gerade eine Probefahrt mit einem Kunden, würde aber in etwa einer halben Stunde zurück sein.
»Gut«, sagte Dühnfort und erklärte seiner Gesprächspartnerin, dass er den Wagen beschlagnahmen lassen würde. Er bat sie, das Auto wie ein Zerberus zu bewachen, damit es nicht gewaschen oder der Innenraum gereinigt wurde. Man musste der KTU die Arbeit nicht unnötig schwer machen.
***
Vicki legte ihrer Chefin das vollständige Berichtsheft gleich in der Früh vor. Gemeinsam gingen sie die Einträge durch, und Clara hatte nichts zu meckern. »Du schreibst wirklich gute Berichte, wenn du dich endlich dazu aufraffst. Sie sind inhaltlich vollständig und auf den Punkt. Also weiter so.«
Anschließend musste Clara zu einer Veranstaltung des Unternehmerinnenclubs, dem sie angehörte, und überließ Vicki das Reisebüro für den Rest des Tages allein, wenn man mal von Steffen absah. »Du kannst das, und falls es doch Probleme gibt, schickst du mir eine SMS .«
Im Laufe des Vormittags schrieb Vicki zwei Angebote, beriet drei Kunden, erledigte einen Teil der Korrespondenz, die Clara ihr aufgetragen hatte, und schickte Steffen damit zur Post, da das Fach in der Schublade für die Briefmarken leer war.
Zeit, eine Pause zu machen und endlich die Telefonate zu führen, die sie seit gestern führen wollte. Aus ihrem Rucksack zog Vicki den Zettel mit den Telefonnummern und, in einem Anfall von Korrektheit, auch ihr Handy. Keine Privatgespräche auf Firmenkosten. So stand es im Lehrvertrag. Sie unterzog die Liste einer kritischen Prüfung. Punker ziehen nicht aufs Land. Vicki wählte die erste der Stadtnummern.
Es tutete im Hörer. Ihr Herz klopfte plötzlich wie wild. Was sollte sie sagen? Hi, Papa? Es würde ihn umwehen, falls er nicht sofort wieder auflegte. Nach dem fünften Klingeln meldete sich ein Anrufbeantworter. Die Stimme klang wie die eines alten Mannes. Ihr Vater konnte jedoch höchstens vierzig sein. Nicht gerade jung, aber auch nicht wirklich alt. Vicki legte auf und wählte die andere Nummer.
Der Hörer wurde abgenommen. »Sauer.« Es war die Stimme einer Frau. Vicki schluckte. Hatte ihr Vater geheiratet? Sollte sie erklären, wer
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