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So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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würde je der richtige Zeitpunkt kommen? Kaum merklich legte sie den Kopf schief, ihr Blick den seinen suchend. Diese Augen. Noir, wie schwarze Schokolade. Die Augenbrauen stiegen ein wenig in die Höhe, als wollte sie fragen, ob etwas sei. Als er darauf nicht reagierte, sanken ihre Schultern herab. »Die Weidenbach hat angerufen. Unsere Schöne ist für halb zwei zur Obduktion eingeplant.«
    Dühnfort fragte nicht nach dem Grund für den späten Zeitpunkt. Er kannte die Antwort. Seit kleinere Institute geschlossen und mit denen in Erlangen und München zusammengelegt worden waren, gab es in Bayern nur noch diese beiden rechtsmedizinischen Institute. Zwei für über zwölf Millionen Einwohner. Sparen auf Kosten der Opfer, sparen auf Kosten der Gerechtigkeit. Die Toten hatten keine Lobby, und die Anzahl der unentdeckt gebliebenen Tötungsdelikte war seither mit Sicherheit gestiegen. Allerdings wollte Dühnfort sich darüber jetzt nicht ärgern. Verschwendete Energie.
    Gina verließ den Platz am Fenster und setzte sich an den Tisch.
    Als Letzter kam Buchholz. Ganz in Schwarz. Die ausgebeulte Lederhose wies an den Sitzfalten brüchige Stellen auf. Das verwaschene T-Shirt spannte über dem Bauch. Auf Buchholz’ Schädel sprossen graumelierte Stoppeln. Irgendwann in den letzten Wochen hatte er aufgehört, ihn glattzurasieren.
    »Gut, fangen wir an.« Dühnfort fasste die Fakten zusammen und fragte dann Buchholz, der mit seinem Team bis weit nach Mitternacht auf dem Gelände der Brauerei gearbeitet hatte, ob sich an der Spurenlage im Laufe der Nacht etwas geändert habe.
    Der fuhr sich mit der Hand übers Haupt. »Da war ein sorgfältiger Mensch am Werk. Bis auf ein paar Fasern haben wir herzlich wenig. Weiß, Baumwolle. Können von einem T-Shirt stammen oder von einem Hemd. Interessant ist ein Fleck gelber Ölfarbe am Handgelenk der Toten.« Buchholz griff nach der Thermoskanne mit Kaffee, die auf dem Tisch stand.
    »Ölfarbe. Meinst du Lack oder Künstlerölfarbe?«, fragte Dühnfort.
    »Ist noch nicht klar. Wir arbeiten daran.«
    »Die Kleidung …«
    Buchholz schüttelte bedauernd den Kopf. »Keine Kleidung, keine Papiere, kein Tatwerkzeug, kein Blut. Die Bauerei ist definitiv nur Ablageplatz.« Schwungvoll füllte er einen Becher.
    »Was ist mit der Folie?«
    »Teichfolie. Kannst du in jedem Baumarkt von der Rolle kaufen. Desgleichen die Müllbeutel, die gibt es in jedem Supermarkt.«
    »Hab ich’s doch geahnt«, sagte Dühnfort. »Was ist mit dem Strumpf und dem Strumpfband?«
    »Die Etiketten sind herausgeschnitten. Es gibt allerdings eine Auffälligkeit, aber das muss ich erst noch prüfen. Die Farbe, dieses helle Rosa, ist nicht gleichmäßig, sieht irgendwie selbstgefärbt aus.«
    »Aha.« Gina schien überrascht. »Dann war der Strumpf ursprünglich weiß?«
    »Gut möglich.«
    »Also doch eine Braut?« Gina zog die Unterlippe unter die Schneidezähne.
    »Wer macht den Abgleich mit der Vermisstendatei?«
    Alois blickte auf. »Ich habe sie schon durchforstet. Keine der Vermisstenmeldungen passt auf unsere Tote. Sobald ich aus der Rechtsmedizin mehr Infos habe, suche ich weiter.«
    »Dieser rosa Strumpf …«, Gina stützte das Kinn auf eine Hand, »das ist schon irgendwie schräg. Wer färbt denn Strümpfe? Und noch dazu rosa? Damit sieht man aus wie Miss Piggy.«
    Alois ließ den Kugelschreiberknopf einrasten. »Rosa Strümpfe habe ich auch noch nie gesehen. Wahrscheinlich kann man die gar nicht kaufen. Sie müssen eine besondere Bedeutung für den Täter haben.«
    »Schräg«, überlegte Dühnfort, »ich weiß nicht … Dieser Mord ist skurril, abartig. Das ist keine Tat im Affekt oder ein Mord aus Eifersucht, ziemlich sicher auch nicht aus Habgier. Diesen Täter treibt etwas anderes an. Eine Perversion oder eine Obsession. Aber ohne die Identität des Opfers zu kennen, werden wir uns ihm nur schwer nähern können. Das hat also erste Priorität. Ob wir das Team der OFA hinzuziehen, werde ich nach dem Termin in der Rechtsmedizin entscheiden.«
    Überrascht blickte Gina auf. »Du denkst, das war erst der Anfang?«
    Er wusste es nicht, er hoffte es nicht. Dennoch befürchtete er, die Tote aus der Brauerei könnte nicht das erste Opfer dieses Täters sein. »Die Tatausführung, die Fundsituation. Das sieht sehr routiniert aus. Und dann der Ablageort. Weshalb hat er die Leiche nicht im Wald versteckt oder vergraben? Weshalb macht er sich die Mühe, zwei Türschlösser zu knacken, den Leichnam über den Hof und

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