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So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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und dafür dankbar war.
    »Herr Hähnel? Dühnfort von der Kripo München.« Er reichte dem Mann die Hand. Sein Händedruck war schwammig, die Hand kühl und feucht. An Hähnel schien alles weich und ein wenig aus der Form geraten zu sein. Das runde Gesicht mit seinen verwischten Konturen, die hellen Augen, die vollen Lippen, das labbrige Sweatshirt.
    »Nico Hähnel.« Er ließ los, und seine Hand fiel auf den Tisch, als wäre sie zu schwer für ihn. »Sie ist es doch nicht? Oder?«
    »Haben Sie ein Foto von Nadine?« Dühnfort setzte sich und nickte der Kollegin zu.
    Sie erwiderte den Gruß. »Möchten Sie vielleicht auch …« Sie wies auf den Kaffeebecher.
    »Danke. Nein. Ich hatte schon einen.«
    Währenddessen kramte Nico Hähnel aus der Gesäßtasche die Brieftasche hervor, entnahm ihr ein Foto und reichte es Dühnfort. Es fühlte sich warm an. Die darauf abgebildete Frau lachte. Ihre grünbraunen Augen strahlten; eine Fülle dunkler Locken umrahmte das hübsche Gesicht. Dunkler Haare Massen, dachte Dühnfort und fragte sich den Bruchteil einer Sekunde, woher diese Formulierung wohl stammte. Sein Blick ruhte auf dem Bild. Er war sich sicher. Trotzdem fragte er: »Hat Ihre Freundin besondere Merkmale?«
    Hähnel starrte ihn an und schluckte.
    »Narben vielleicht oder ein Muttermal?«
    »Sie ist als Kind am Blinddarm operiert worden. Aber eine solche Narbe hat doch fast jeder.« Es klang beinahe erleichtert. Als sei das der Beweis dafür, dass nicht sein konnte, was nicht sein durfte.
    Dühnfort wartete. »Und sonst nichts?«
    Hähnel flocht die Finger ineinander. »Vor einem Jahr hat sie sich ein Tattoo machen lassen. Am linken Fußknöchel. Einen Stern.«
    Dühnfort atmete durch und legte das Foto auf den Tisch. »Es tut mir leid. Aber wir müssen davon ausgehen, dass die Tote Ihre Freundin ist.«
    Hähnel starrte ihn an, wurde auf dem Stuhl kleiner, sackte in sich zusammen, bis er schließlich den Kopf auf die Tischplatte sinken ließ. »Warum? Wer tut so etwas?«
    »Wir werden es herausfinden.« Dühnfort wartete, bis der Mann den Kopf wieder hob. Der weiche Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Er sah angespannt aus und seltsam entschlossen.
    Das Handy in Dühnforts Tasche begann zu vibrieren. Er holte es hervor und erkannte im Display Ginas Nummer.
    »Guten Morgen, Tino.« Sie klang müde, als hätte auch sie nicht geschlafen. »Wir hatten hier gerade den Anruf eines Doktor Thomas Gromme. Seines Zeichens Hausarzt mit einer Praxis in Vaterstetten. Er hat unsere Tote erkannt. Sie heißt Nadine Pfaller und war seine Sprechstundenhilfe. Ich fahre jetzt zu dem und rede mit ihm. Oder willst du das machen?«
    »Ich bin schon in Vaterstetten. Nadines Exfreund hat sich heute Morgen gemeldet.«
    »Ach nee. Bist du wieder mal als einsamer Wolf unterwegs? Ich dachte, wir sind ein Team.«
    Es klang ein wenig vorwurfsvoll, obwohl sie sich um einen scherzhaften Tonfall bemühte. Dennoch spürte er zu seinem Erstaunen Ärger in sich aufsteigen, den er irritiert beiseitewischte. »Sind wir auch. Du besuchst den Arzt. Wenn du kurz dranbleibst …« Dühnfort ließ sich von Hähnel die Adresse von Nadines Eltern geben, ging vor die Tür und gab sie Gina durch. »Alois soll das übernehmen, und er soll sich beeilen. Vielleicht haben sie die Zeitung noch nicht gelesen. Es wäre besser, wenn er da wäre, bevor sie es tun oder die Nachbarn klingeln. Und wenn sie in der Lage sind, ihre Tochter zu identifizieren, dann sollte das heute geschehen.«
    »Okay. Ich melde mich, wenn ich mehr weiß. Daran könntest du dir vielleicht mal ein Beispiel nehmen.«
    Er hörte den Schalk in ihrer Stimme und sah für einen Augenblick Gina vor sich, mit diesem Gesichtsausdruck zwischen Empörung und Spaß. Eine warme Welle erfasste ihn, trug ihn einen Moment mit sich, ihr entgegen. Sie war so anders als er, so unkompliziert, hatte eine Leichtigkeit, die ihm ganz und gar fehlte. »Ich werde mir Mühe geben«, sagte er. Es klang kurz angebunden.
    An Rinke vorbei, der seinen Platz am Schreibtisch wieder eingenommen hatte und telefonierte, ging Dühnfort zurück in den Nebenraum.
    Hähnel saß noch immer am Tisch, die Augen gerötet, die Hände wieder um den Kaffeebecher gelegt. »Ich will wissen, was er mit ihr gemacht hat.«
    Nicht wirklich, dachte Dühnfort. »Es tut mir leid. Aus ermittlungstaktischen Gründen ist das nicht möglich. Außerdem sind Sie kein Angehöriger.«
    »Wenn ich mit ihr verlobt gewesen wäre, dann schon?«
    »Waren Sie

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