So unselig schön
hatte sie etliche Stammkunden, bei denen sie zeitweise auch vor Ort arbeitete. Deshalb pendelte sie häufig zwischen dem Dorf Mariaseeon, in dem sie wohnte, und München hin und her.
Teller und Gläser waren geleert. Dühnfort bestellte zwei weitere Gläser Wein und noch eine Flasche Wasser.
Als Agnes fragte, wie es ihm ginge, berichtete er zunächst von Beruflichem, dass sie den Mord an einer jungen Frau aufzuklären hätten. Danach erzählte er von seinem Segelboot und seinen Plänen, im Sommer damit bis nach Brest zu segeln.
»Ganz allein?«, fragte Agnes.
»Warum denn nicht? Ich bin gerne mit mir allein. Nicht alle Tage, aber hin und wieder schon.«
»Und dein Traum … was wird aus ihm?«
Sein Traum von einer Familie, von Kindern. Agnes kannte ihn. Ihre Beziehung war daran gescheitert. »Ich weiß es nicht. Träume müssen sich nicht erfüllen.«
»Nein, natürlich nicht … aber die Sehnsucht sollte man sich bewahren …«
Dühnfort lachte. »In meinem Leben hat es bisher keine dauerhafte Beziehung gegeben, und trotzdem habe ich die Hoffnung nicht verloren.«
»Diese Sehnsucht hat wohl beinahe jeder.«
Ihr Blick traf seinen.
Er wollte ihm ausweichen und konnte nicht. Tat es ihr leid, dass sie das Verhältnis, wie sie ihre Beziehung genannt hatte, beendet hatte? »Aber nicht zu jeder Zeit«, sagte er, beugte sich vor und stützte den Kopf in eine Hand. »Du konntest dir eine dauerhafte Beziehung nicht vorstellen.«
»Und du wusstest, weshalb das so war. Es lag nicht an dir und auch nicht an mir. Es waren die Umstände, wie man so sagt. Was ich erlebt habe … damit muss man umzugehen lernen, und das funktioniert nicht von einem Tag auf den anderen. Es war einfach die falsche Zeit für eine Beziehung, wie du sie dir vorgestellt hast. Du hast mir ja praktisch einen Heiratsantrag gemacht.«
»Das klingt, als wäre es ein schreckliches Erlebnis gewesen.«
»Das war es auch. Darauf war ich überhaupt nicht vorbereitet. Bis zu jenem Abend hatte ich das Gefühl, du grenzt mich aus deinem Leben aus, lässt mich nur an bestimmten Bereichen teilhaben, und dann stellst du mir quasi aus dem Nichts ein Ultimatum: Entweder wir werden ein richtiges Paar, mit der Option, gemeinsam Kinder zu haben, oder wir trennen uns. Jetzt. Sofort.«
Die Erinnerung an diesen Abend tat noch immer weh. Verletzter Stolz und der Ärger über sein Verhalten, mit dem er kaputtgemacht hatte, was langsam hätte wachsen müssen, würde wohl nie verblassen. »Ich habe mich ziemlich dämlich benommen.«
»Welch wahres Wort.« Mit einem Lächeln nahm sie dieser Äußerung ihre Schärfe und beugte sich ein wenig näher zu ihm.
Der Kellner brachte den Wein, das Wasser und verschwand an den Nebentisch.
Letzten Oktober, als alles zerbrochen war, hatte Agnes, die ein Faible für Lyrik besaß, ihm den Vers eines Gedichts gemailt. Jedoch ziemlich sicher nicht den, den sie eigentlich gemeint hatte, sondern den darüberstehenden.
» Dich hätt’ ich geliebt, und du hast es geahnt. Das war es, was du mir damals eigentlich sagen wolltest?«, fragte er und bemerkte, dass er plötzlich Angst vor ihrer Antwort hatte.
Sie nickte.
Er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Mit diesem Nicken, das eigentlich sagte: Diese Worte haben noch Gültigkeit. Ich meine es noch immer so. Wenn du uns eine Chance geben würdest … Er wollte nicht und spürte im selben Moment, dass er sich belog. Er wollte doch. Es ging nicht. Weshalb? Eine Antwort fand sich so schnell nicht. Er musste die Kontrolle über dieses Gespräch zurückgewinnen, musste es in ein anderes Fahrwasser lenken, und das tat er auch. Er fragte nach Beppo und Gabi Sonnberger und ihrem Sohn Jakob, dessen Entführung ihn im vergangenen Sommer nach Mariaseeon gebracht hatte.
Auf dieser Ebene plätscherte die Unterhaltung noch eine Weile dahin, bis Agnes sich für die Einladung bedankte und verabschiedete. Sie wollte ihre S-Bahn nicht versäumen. Er begleitete sie bis zum Marienplatz. Beim Abschied umarmte sie ihn, und der Duft nach Rosen und Meer nahm ihn noch für einen Augenblick gefangen, als sie bereits auf der Rolltreppe zum Bahnsteig stand.
***
Sie hatte Kais E-Mail beantwortet und ihm erklärt, dass die Bilder nicht von ihr stammten, sondern von einem Freund, was sie auch dazugeschrieben hatte.
Er hatte sofort zurückgemailt und gefragt, ob er ihrem Freund einige Infos zur Pariser Kanalisation entlocken könnte. Als Gegenleistung kann ich euch ein paar interessante Objekte hier in
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