So unselig schön
denn verlobt?«
»Nein.«
»Aber Sie wären es gerne gewesen?«
Mit der Hand fuhr Hähnel sich über die Augen. »Ja, schon. Aber da gehören zwei dazu.«
Dühnfort zog den Stuhl heran und setzte sich. »Sie haben sich getrennt. Wann und weshalb?«
»Vor sechs Wochen war das.« Er sah auf. »Warum? … Ich hab’s nicht verstanden. Vielleicht, weil sie eine spinnerte Urschel ist … war, die nicht weiß, wo sie hingehört.« Etwas wie Zorn schwang in Hähnels Stimme mit. »Sie hat halt gedacht, dass sie was Besseres ist, hat sich bei Castingshows beworben und wollte Model werden. Hübsch war sie ja.«
»Sie haben dieses Vorhaben nicht unterstützt? War das der Grund für die Trennung?«
»Ich war ihr nicht mehr gut genug. Nach drei Jahren. Sie meinte, mit ihrem Aussehen könne sie sich einen reichen Kerl angeln.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe sie einfach nicht mehr verstanden. Früher haben wir an einem Strang gezogen, hatten gemeinsame Pläne. Ich bin Bäcker und verdiene nicht schlecht … Aber dann hat sie diese Shows im Fernsehen gesehen … Damit hat es angefangen, und vor sechs Wochen ist sie dann ausgezogen. Von einem Tag auf den anderen. Ohne vorher was zu sagen. Hat sich einfach eine Wohnung gemietet, und das war’s dann.«
»Sicher waren Sie wütend …«
»Wütend?« Hähnel wirkte überrascht, als wäre das eine unangemessene Reaktion auf eine Trennung. »Nein, wütend war ich nicht. Traurig. Eher traurig. Sie hat mir auch leidgetan.«
»Weshalb?«
»Wegen ihrer ewigen Unzufriedenheit. Wir hatten es doch gut, hatten beide einen Job, konnten uns schöne Urlaube leisten … Und außerdem weil sie das, was sie wollte, nicht erreichen würde. Das ist ein hartes Business. Dafür war sie nicht gemacht. Immer den Kopf in den Wolken.«
»Gab es einen anderen Mann in Nadines Leben?«
»Ich glaube nicht. Sie hat jedenfalls nichts von einem anderen gesagt, und sie hat sich ja auch alleine eine Wohnung genommen.«
»Die Adresse kennen Sie?«
Hähnel nickte. »Ist nicht weit von hier.«
»Haben Sie einen Schlüssel?«
»Nein. Weshalb auch? Es gibt einen Hausmeister. Der kann Sie reinlassen.« Hähnel sah müde und angeschlagen aus. Dühnfort erinnerte sich, dass er von der Nachtschicht gekommen war, und ließ den Mann gehen.
***
»Ist sie es also doch!« Jürgen Zenner, Hausmeister der Anlage mit etwa zwanzig Wohnungen, nahm einen Bund mit unzähligen Schlüsseln vom Bord hinter der Wohnungstür, hakte ihn in die Gürtelschlaufe seiner mit Schmiere und Farbklecksen verdreckten Jeans und stieg mit Dühnfort zwei Etagen nach oben. »Ich war mir ja nicht sicher. Auf dem Foto in der Zeitung sieht sie irgendwie anders aus. Beinahe fremd. Der Tod macht einen halt auch nicht schöner.« Er lachte kurz und trocken.
Dühnfort war der Hausmeister auf Anhieb zuwider. »Wie war sie als Mieterin?«
Zenner war stark übergewichtig und blieb kurzatmig auf einer Stufe stehen. »Sie ist erst Anfang Mai eingezogen.« Einmal Luftholen. »Ruhig war sie. Jeden Morgen ist sie um Viertel vor acht aus dem Haus.« Sein Brustkorb hob und senkte sich. »Zur Arbeit, nehme ich an. Und der alten Frau Schmell von nebenan hat sie mit den Einkäufen geholfen.« Keuchend setzte Zenner sich wieder in Bewegung.
»Hat sie Besuch bekommen?«
»Männer, meinen Sie?« Die Zunge leckte kurz über die Lippen. Ein feuchter Schimmer blieb zurück.
»Auch.« Dühnfort folgte dem schnaufenden Mann.
»Ich habe niemanden gesehen. Aber ich bekomme ja nicht alles mit.«
Sie erreichten die Wohnungstür. Der Hausmeister sperrte auf und wollte mit hinein. Dühnfort stellte sich ihm in den Weg. »Gehören Kellerabteil und Garage zur Wohnung?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Fräulein Pfaller hat kein Auto. Sie war immer mit der S-Bahn oder dem Rad unterwegs. Das ist übrigens weg.«
»Seit wann?«
Zenner zog die Mundwinkel nach unten und breitete die Hände aus. »Am Freitag ist sie damit noch von der Arbeit gekommen.«
»Danke. Wenn ich Sie brauche, melde ich mich.« Dühnfort ließ sich den Schlüssel geben, zog Latexhandschuhe über und schloss die Tür.
Vom Vorplatz gingen zwei Türen ab. Eine führte in ein winziges Bad, in dem ein heilloses Durcheinander herrschte. Eine Bürste und ein Badetuch lagen am Boden, Föhn und Handtuch auf dem WC -Deckel, im Waschbecken klebten lange dunkle Haare, und auf jeder freien Fläche waren Kosmetikartikel verteilt.
Dühnfort ging weiter in den Wohnraum. In einer Ecke gab es eine
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