So unselig schön
Art, wie sie die Tür hinter sich zuzog, ruhig, aber entschlossen, wirkte auf ihn endgültig.
***
Eine halbe Stunde später betrat Dühnfort ein Gebäude in Bogenhausen. Viel Stahl und Beton, grauer Granitboden im Eingangsbereich, eine Informationstafel neben dem Lift. Dühnfort studierte sie. Die Praxis von René Fuhrmann befand sich in der vierten Etage. Er fuhr nach oben und trat kurz darauf durch eine Glastür in einen Vorraum, der ihn an die Lobby eines luxuriösen Hotels erinnerte. Ein Teppichboden, der seine Schritte dämpfte, Polstermöbel von teurer Schlichtheit, einzelne Orchideen kunstvoll in Vasen drapiert. Vom Empfangstresen wehte ein Hauch von Parfum herüber. Dahinter stand eine Frau, die den Eindruck erweckte, nicht echt zu sein. Sie hatte die Figur eines magersüchtigen Teenagers, bis auf die Brüste, die wie aufgepfropft unter der Bluse saßen und die Knöpfe mit jedem Atemzug auf eine Zerreißprobe stellten.
Leuchtend blaue Augen unter weißblond gefärbtem Haar taxierten Dühnfort, weiteten sich ein wenig, als wollten die Brauen fragend in die Höhe steigen, was aber nicht gelang. Die Stirn blieb in Glätte erstarrt, wie Eis auf einem See. »Ja. Bitte?«
Dühnfort stellte sich vor. »Ich würde gerne Herrn Fuhrmann sprechen.«
»Mal sehen. Eine Patientin hat abgesagt. Eigentlich müsste er Zeit haben.« Die Empfangsdame griff zum Telefon, informierte ihren Chef über Dühnforts Anliegen und führte ihn dann über den schallschluckenden Teppich zu einer Tür. Während sie anklopfte, öffnete sie bereits. Dühnfort trat ein und sah gerade noch, wie der Mann, der hinter dem Schreibtisch saß, etwas in den Papierkorb fallen ließ und sich die Hände rieb, als müsste er Schmutz beseitigen.
Über den Tisch hinweg reichte er Dühnfort die Hand und wies auf den Stuhl, der seitlich vom Schreibtisch stand, als sei sein Besucher ein Patient. »Bitte.«
Dühnfort setzte sich.
»Kann ich Ihnen etwas anbieten? Ein Glas Vitaminsaft oder Mineralwasser vielleicht?« Fuhrmann trug einen weißen Kittel offen über einem hellblauen Hemd und grauer Anzughose. Er war etwa Mitte dreißig, dunkelhaarig, groß, schlank und von athletischer Figur. Seine ebenmäßigen Gesichtszüge wurden durch klare Linien und ein kräftiges Kinn geprägt. Allerdings standen die hellen Augen etwas zu weit auseinander, und die Stirn war ein wenig zu niedrig geraten, so dass das Gesicht seltsam unentschieden wirkte, wie von einem Künstler modelliert, der sich nicht zwischen Schönheit und Mittelmaß hatte entscheiden können.
Dühnfort lehnte das Angebot ab und hörte, wie sich hinter ihm die Tür leise schloss.
»Geht es noch immer um den Samstagabend?«, fragte Fuhrmann. »Ihre Kollegin hat doch sicher meine Angaben überprüft.«
»Sowohl Herr Wernegg als auch Frau Klees erinnern sich, dass Sie um halb neun die Galerie verlassen haben. Kein Grund zur Sorge also.«
Fuhrmanns Schultern sanken herab, der Oberkörper neigte sich etwas nach vorne. »Ja, dann weiß ich auch nicht, wie ich Ihnen noch helfen kann.«
»Es gibt ein paar Dinge, die mich interessieren. Beispielsweise, weshalb Sie und Wernegg das gleiche Auto fahren.«
Der angespannte Zug um den Mund verschwand, Fuhrmann wirkte erleichtert. »Wir haben ähnliche Interessen. Autos gehören dazu. Als ich mir den Jaguar gekauft habe, hat Jobst sich angeschlossen. So haben wir einen schönen Mengenrabatt beim Händler herausgeschlagen.«
»Wernegg war am Samstag mit seinem Volvo unterwegs und hatte den in der Maximilianstraße geparkt …«
»Stimmt. Ich habe den Wagen dort gesehen, als ich zur Galerie gefahren bin. Er stand direkt vor dem Alfredos .«
»Wo haben Sie geparkt?«
»In der Prannerstraße.«
»Haben Sie den Parkschein noch?«
»Nein. Das habe ich Ihrer Kollegin schon gesagt.«
»Wernegg und Sie sind also Freunde. Schon länger?«
»Seit unserer Internatszeit am Ammersee.«
»Das ist also eine enge Freundschaft.«
»Wenn Sie denken, er gibt mir deswegen ein Alibi, dann täuschen Sie sich.« Fuhrmann schüttelte kaum merklich den Kopf. »Außerdem erinnert sich auch Wiebke, wann wir gegangen sind.«
»Sie beide haben die Galerie von Wiebke Klees um halb neun verlassen. Wernegg kehrte zurück in sein Büro, Sie gingen zu Ihrem Auto und fuhren nach Hause.«
Fuhrmann nickte.
»Den Abend haben Sie allein verbracht.«
Der Blick des Arztes ging zur Wand zu seiner Linken und verweilte dort auf einem alten Gemälde, das einen Blumenstrauß zeigte. Eine
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