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So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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Eidechse saß am Fuß der Vase zwischen einigen abgefallenen Blütenblättern. »Auch das habe ich bereits Ihrer Mitarbeiterin gesagt.« Der Arzt wandte seine Aufmerksamkeit wieder Dühnfort zu.
    »Ihre Frau war verreist …«
    »Sie hat mit einer Freundin ein Wellnesswochenende in Kitzbühel verbracht.« Das Telefon auf Fuhrmanns Schreibtisch begann zu läuten. »Entschuldigen Sie.« Der Arzt griff nach dem Hörer und meldete sich. Das Gespräch drehte sich um eine Patientin, die in dem Krankenhaus lag, in dem Fuhrmann seine Belegbetten hatte. Währenddessen bemerkte Dühnfort auf dem Teppichboden neben dem Papierkorb einige Schnipsel. Er beugte sich vor, um sie besser erkennen zu können. Es waren Teile eines zerrissenen Fotos. Kastanienfarbene Locken, ein Stück rot geschminkter Mund, ein Ohrläppchen mit goldenem Ohrclip. Dühnfort richtete sich wieder auf und ließ den Blick über den Schreibtisch wandern, während Fuhrmann das Telefonat beendete. Ein Acrylglasrahmen lag verkehrt herum auf der Ablage neben dem Monitor des Computers.
    »Entschuldigen Sie. Das war wichtig«, sagte der Arzt und stützte die Hände auf den Tisch, als wolle er aufstehen. »Haben Sie noch Fragen?«
    »Doch. Eine hätte ich noch. Ist das Ihre Frau?« Dühnfort wies auf die Schnipsel neben dem Papierkorb.
    Fuhrmann erhob sich, seine Gesichtszüge wurden glatt, der Blick unverbindlich freundlich. »Es ging um mein Alibi. Das haben Sie, und das muss Ihnen genügen.«
    ***
    Um zehn vor eins kam Vicki mit der S-Bahn am Marienplatz an. Clara hatte ihr die IsarCard des Verkehrsverbundes geliehen. »Wenn du mit dem Rad fährst, kommst du ganz verschwitzt zu deinem Termin«, hatte sie gesagt, und da war was dran.
    Mit der Rolltreppe fuhr Vicki nach oben, ging durch den kleinen Park am Marienhof und kam an der Bank vorbei, unter der sie damals das Handy gefunden hatte. Die alte Fliegerlederjacke, die sie in einem Secondhandladen in Paris gekauft hatte, war zu warm. Sie zog sie aus, warf sie über die Schulter und schnupperte vorsichtshalber an einer Achsel. Alles im grünen Bereich. Vielleicht hätte sie doch besser Jeans und nicht den Chiffonrock mit Blümchenmuster anziehen sollen. Na, wenigstens trug sie die alten Bergstiefel mit den roten Schnürsenkeln dazu. Zwiefach genäht. So sah sie ungefähr das Gegenteil von sexy aus.
    Um fünf vor eins erreichte sie das Haus in der Maximilianstraße, in dem die Susanne-Karg-Stiftung ihr Büro hatte, und fuhr mit dem Lift in die dritte Etage. Sie war zu früh. Ein bis dahin noch nie eingetretenes Ereignis. Mit klopfendem Herzen blieb sie vor einer Tür aus Eiche oder Mahagoni oder sonst einem teuren Holz stehen. Verdammt, weshalb war sie bloß so aufgeregt? Fast wie früher, wenn sie schwarzgefahren und um Haaresbreite in eine Kontrolle geraten war. Falls sie die Spende nicht bekam, dann war es wenigstens den Versuch wert gewesen. Aber sie würde sie kriegen, und wenn sie Wernegg ein Ohr abkauen oder derart auf die Tränendrüse drücken musste oder an sein soziales Gewissen appellieren oder was auch immer, bis er zusagte und einen fetten Scheck ausschrieb.
    Entschlossen betätigte sie den Klingelknopf. Ein leises Summen ertönte, Vicki öffnete die Tür und trat ein.
    Fischgrätparkett, weiße Wände, ein Kristallkronleuchter, der an einer Messingkette von der hohen Decke hing, ein Duft nach Verbene und Zitrone, angenehme Kühle. Alles superedel, dachte Vicki. Sogar die Luft riecht vornehm.
    Hinter einer Empfangstheke saß eine junge Frau, die nun aufsah und Vicki freundlich anlächelte, während ihr Blick sie taxierte. »Sie sind sicher Frau Senger.«
    Vicki nickte. Das musste Katja Schön sein, mit der sie gestern telefoniert hatte. »Toll, dass das mit dem Termin so schnell geklappt hat.«
    »Es dauert noch einen Augenblick«, erwiderte Katja Schön. Doch in diesem Moment wurde eine der weißlackierten Kassettentüren geöffnet. Eine Tussi im Designerkleid erschien, gefolgt von Jobst Wernegg. Er sah genauso aus wie auf dem Foto der Website. Irgendwie mittelmäßig und doch gut. Was vermutlich an den Klamotten lag. Vicki hatte noch nie einen Maßanzug gesehen, aber der, den Wernegg trug, saß derart perfekt, dass er sicher eigens für ihn gemacht worden war.
    Er bemerkte sie. Ein warmer Blick aus braunen Augen. »Frau Senger?«
    Plötzlich hatte Vicki einen Kloß im Hals.
    »Ich bin gleich bei Ihnen. Wenn Sie solange in meinem Büro warten wollen.« Er wies auf die offene Tür. »Frau Schön wird

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