So unselig schön
ich die meisten der Informationen. Wernegg war ein durchschnittlicher Schüler. Es gab wenig Ärger mit ihm, bis auf einen Verweis wegen heimlichen Rauchens, als er fünfzehn war. Abitur allerdings erst nach zwei Ehrenrunden in der siebten und elften Klasse, dafür dann aber mit einem Schnitt von zwei Komma eins. Es folgte eine Banklehre und anschließend ein BWL -Studium in München. Danach ist er für ein Jahr nach Australien.«
»Wann war das genau?«, wollte Dühnfort wissen.
»Frühjahr 2004 bis Sommer 2005 .«
»Als Svenja ermordet wurde, war Wernegg also in Down Under. Was hat er da gemacht?«, fragte Gina.
»Er hat noch zwei Semester Wirtschaft an der University von Canberra drangehängt. Danach hat er in München in der Personalabteilung eines Versicherungskonzerns angefangen. Kurz darauf starb seine Mutter gemeinsam mit ihrem dritten Mann, einem reichen Unternehmer, bei einem Verkehrsunfall. Wernegg gab seinen Job auf und gründete mit dem geerbten Vermögen die Stiftung. Alles in allem nichts Auffälliges. Ach ja, und noch was habe ich: Werneggs Volvo stand Samstagnacht bis gegen Mitternacht in der Maximilianstraße vor dem Alfredos. Der Koch geht regelmäßig zur Zigarettenpause vor die Tür und erinnert sich, dass der Volvo da stand. Gegen siebzehn Uhr ist er ihm das erste Mal aufgefallen, etwa um neun hat er das Knöllchen entdeckt, und kurz vor Mitternacht kam Wernegg aus seinem Büro. Sie haben noch ein paar Worte gewechselt, und dann ist Wernegg los.
»Gut«, sagte Dühnfort. »Hast du über Fuhrmann ähnlich viel herausgefunden?«
»Fuhrmann stammt aus kleinen Verhältnissen. Der Vater war Autoverkäufer und hat es Anfang der Siebziger zu einem eigenen Laden gebracht, den er zu einer Kette ausbauen konnte. Damit kam dann richtig Geld ins Haus. Der Sohnemann wurde aus der Schule genommen und in dasselbe Internat am Ammersee gesteckt, das Wernegg besuchte. Fuhrmanns Mutter hatte die fixe Idee, dass der Sohn etwas Besseres werden sollte, am liebsten Chirurg. Jedenfalls saß sie ihm ziemlich im Nacken, was Noten und gesellschaftlichen Umgang anbelangt. Und ihre Hartnäckigkeit trug Früchte: Abi mit eins Komma null, Medizinstudium in Heidelberg. Danach ist Fuhrmann nach München zurückgekehrt, wo er erst in einer Klinik angestellt war und dann seine Praxis für Schönheitschirurgie eröffnet hat. Momentan trägt er sich mit dem Gedanken einer eigenen Klinik. Vor sechs Jahren hat er auf einem Empfang Verena Wiechers kennengelernt, die Tochter von Professor Wiechers, dem berühmten Herzchirurgen. Scheint Liebe auf den ersten Blick gewesen zu sein, denn ein paar Monate später wurde geheiratet. Laut Fuhrmanns Mitarbeiterin liebt er Verena abgöttisch, aber sie hat die Hosen an. Der Herr Doktor scheint unter dem Pantoffel zu stehen. Kein Wunder, dass er nichts anbrennen lässt und ständig fremdgeht, meinte seine Angestellte. Irgendeinen Ausgleich braucht der Mann. Anscheinend kriselt es deswegen zurzeit in der Ehe. Jedenfalls verreist die Gattin neuerdings häufig übers Wochenende. Angeblich mit einer Freundin.«
Boos hatte auf Dühnforts Frage, wie es der Täter geschafft hatte, jahrelang die Kontrolle zu behalten, geantwortet, es könnte an einer geglückten Beziehung liegen, die dem Täter Sicherheit und Selbstwertgefühl gab. Möglicherweise war diese Beziehung nun gescheitert oder im Scheitern begriffen.
»Denkst du gerade dasselbe wie ich?«, fragte Gina mit hochgezogenen Brauen.
»Sechs Jahre Ehe, die nun zerbröseln. Außerdem hat Fuhrmann mit seinen Alibizeugen telefoniert. Mir gefällt das immer weniger.«
»Aber wir haben nichts gegen ihn in der Hand.« Alois schlug sein Notizbuch zu. »Sein Alibi wird von zwei Personen bestätigt, und nur weil es in seiner Ehe kriselt, werden wir keinen Durchsuchungsbeschluss bekommen. Was machen wir also?«
»Ich schau mal, ob es zwischen Lichtenberg und Fuhrmann eine Verbindung gibt. Und dann könnten wir mit dem rosa Strumpf an die Öffentlichkeit gehen. Vielleicht finden wir so heraus, woher er stammt«, schlug Gina vor.
Dühnfort hatte eigentlich nicht vor, diese Information preiszugeben. Sie gehörte zum Täterwissen, das er zurückhalten wollte. Blieb noch Lichtenberg. Dühnfort zog das Handy aus der Tasche und wählte zum vierten Mal an diesem Tag Lichtenbergs Nummer. Nach dem fünften oder sechsten Läuten wollte er schon auflegen, als eine heisere Männerstimme sich meldete. »Carne.«
***
Kurz vor sechs Uhr erreichten sie die Anhöhe,
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