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So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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auch für das Böse stehen. Es kam auf den Kontext an. Auf einer Seite wurde ein Stillleben mit einem Obstkorb analysiert. Die Früchte befanden sich in unterschiedlichen Reifestadien. Die dargestellten Trauben standen für das Abendmahl, die verdorbenen Stellen der Birnen spielten auf die Vergänglichkeit alles Irdischen an. Zwei faulende Äpfel lagen auf der Tischfläche vor dem Korb. Daneben saß eine Eidechse. In diesem Kontext war sie negativ besetzt und symbolisierte das Böse, während der Schmetterling, der über dem Korb flog, Auferstehung und Heil darstellte. Der ewige Kampf zwischen Gut und Böse.
    Aber brachte ihn das irgendwie weiter? Dühnfort seufzte. Ein toter Schmetterling neben einer Leiche und eine Eidechse auf einem Gemälde in Fuhrmanns Praxis. Ein gelber Farbrest am Handgelenk der Toten. Gab es da eine Verbindung? Vermutlich nicht. Er hatte einfach zu viel Phantasie. Eindeutig waren nur die gelbe Farbe und Lichtenberg, der Maler. Wieder wählte Dühnfort dessen Nummer und legte auf, als sich erneut der Anrufbeantworter einschaltete.
    Auf dem Weg zu Gina begegnete er im Flur Alois. Sein Trenchcoat war an den Schultern feucht. »Ich komm gerade vom Ammersee«, begrüßte er Dühnfort. »Mit Fuhrmann und Wernegg bin ich durch. Dem Internet und der Redseligkeit einiger Leute sei Dank. Und was hat sich bei euch getan?«
    »Gina hat Lichtenberg gefunden.«
    »Nicht schlecht.« Gemeinsam betraten sie das Büro. Gina saß vor dem PC und sah auf, als die beiden eintraten.
    »Gratuliere. Wie hast du Lichtenberg denn aufgestöbert?« Alois schlüpfte aus dem Mantel und hängte ihn an einen Haken hinter der Tür.
    »Über einen ehemaligen Kommilitonen. Serge Buthler …«
    »Buthler? Der Galerist aus Hamburg?«, fragte Alois.
    Gina zog die Nase kraus. »Sag nur, der Name ist dir auch untergekommen.«
    »Fuhrmann sammelt Bilder. So alte Schinken aus dem 17 . Jahrhundert. Das hat mir seine Mitarbeiterin erzählt. Im Mai war er bei einer Versteigerung in Hamburg im Auktionshaus Buthler.«
    Zwischen Lichtenberg und Fuhrmann gab es also eine Verbindung. Beide kannten Buthler, beide waren in die Ermittlungen geraten, der eine war Maler, der andere sammelte Gemälde. »Kennen Lichtenberg und Fuhrmann sich?«, fragte Dühnfort Gina.
    »Keine Ahnung. Glaube ich aber nicht. Buthler sagt, er habe Lichtenberg seit dem Studium nicht mehr gesehen …«
    »Woher kannte er dann seine Adresse?«, unterbrach Alois.
    »Er hat dessen künstlerischen Werdegang verfolgt. Außerdem ist vor einigen Monaten ein fetter Bildband erschienen, in dem steht, dass Carne auf einem Bauernhof in der Nähe von Aying lebt. Mit diesen Infos habe ich ihn gefunden. Er hat in Amerika geheiratet und den Namen seiner Frau angenommen. Johnson. Unter dem hat er sich nach der Scheidung und der Rückkehr nach Deutschland bei der Gemeinde angemeldet.«
    »Carne? Wie Fleisch?«, fragte Alois.
    »Sein Künstlername.« Gina schob sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und griff dann nach dem Block, den sie auf den Tisch gelegt hatte. »Machen wir ein Update? Also, mit Nadines Telefonaten und Mails bin ich durch, und ich habe auch mit ihrer besten Freundin gequatscht. Da ist nichts, was uns einen Hinweis gibt. So wie es aussieht, war sie wohl wirklich zur falschen Zeit am falschen Ort und ist, obwohl ihre Mutter ihr als Kind sicher eingebläut hat, das nicht zu tun, zu einem fremden Mann ins Auto gestiegen. Im Moment habe ich keinen Plan, was wir noch tun könnten. Außer mit Lichtenberg zu reden. Hat er sich noch immer nicht gemeldet?«
    »Wenn wir bis 20 . 00  Uhr nichts von ihm hören, schreibe ich ihn zur Fahndung aus.« Dühnfort bat Alois zu berichten, was er über Fuhrmann und Wernegg in Erfahrung gebracht hatte.
    »Nichts Ungewöhnliches«, sagte Alois und schlug sein Notizbuch auf. »Weder Misshandlungen oder Verwahrlosung noch Mobbing oder Missbrauch tauchen in den Lebensläufen auf. Nach Boos’ Theorie scheiden die beiden als Täter aus. Alles ganz normal. Wernegg wurde 1976 in München geboren. Seine Mutter war damals vierundzwanzig Jahre alt und mit dem dreißig Jahre älteren Jesko Wernegg verheiratet, ihrem Professor für Kunstgeschichte. Als Wernegg sechs Jahre alt war, starb sein Vater an einem Herzinfarkt. Zwei Jahre später hat die Mutter wieder geheiratet. Mit dem Stiefvater gab es wohl Probleme. Jedenfalls besuchte Wernegg ab der dritten Grundschulklasse das Internat am Ammersee, in dem seine Tante noch heute Lehrerin ist. Von ihr habe

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