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So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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Geste nahm er sich eine Beere, entfernte das grüne Blatt und schob sie sich in den Mund. »Sie sind Polizistin und fragen mich nach Kontrolle. Das entbehrt nicht einer gewissen Komik«, erwiderte er kauend. »Was wollen Sie von mir?«
    »Wer hat denn vorher Regie geführt, wenn nicht Sie? Bruno, der Wicht, kann es ja nicht gewesen sein?« In Ginas Blick lag pures Interesse.
    Mit einem Seufzer ließ Carne sich auf dem Sofa zurückfallen und breitete beide Arme über die Rücklehne, die Beine gespreizt und die Füße fest auf dem Boden. »Sie wissen nichts über mich. Haben nicht einmal im Internet recherchiert. Eigentlich sollte ich beleidigt sein.« Er seufzte. »Aber gut: Meine Traumata waren die Herrscher im Haus. Bis ich sie mir unterworfen, sie mir zunutze gemacht habe. Ich bin ein Arbeiter unter Tage, haue Qual und Schmerzen aus dem Gestein, zu dem mein Selbst geworden ist. Grabe, kratze, wühle neue Zugänge in mein Ich.« Während er sprach, wanderte sein Blick zum Gemälde mit der Blutlache.
    Gina starrte ihn an. Nun hatte es ihr die Sprache verschlagen.
    Dühnfort ahnte, was Carne sagen wollte. Er war der Sohn eines Metzgers. »Das Kind auf diesem Bild, das sind Sie?«
    Carnes Blick blieb unverwandt auf das Gemälde gerichtet. Dann lachte er wieder dieses trockene Lachen. »Eigentlich sollte ich meinem Vater dankbar sein. Ohne ihn wäre ich heute weder berühmt noch reich.« Mit einem Ruck löste er sich, griff nach einem Buch, das auf dem Couchtisch lag, und reichte es Dühnfort. Es war ein schwerer Kunstband, dessen Titelseite den Ausschnitt eines Gemäldes zeigte: Ein Kind lag in einem aufgebrochenen Schweinekörper, wie ein Embryo im Leib der Mutter. Carne. Transformationen. »Lesen Sie das, wenn Sie wissen wollen, weshalb ich diese Bilder male. Ich schenke es Ihnen. Und jetzt sollten wir langsam zur Sache kommen. Über Malerei will die Polizei sicher nicht mit mir sprechen.«
    »Im Moment schon«, entgegnete Dühnfort und griff nach einer Farbtube, die neben der Erdbeerschale lag. Kadmiumgelb stand auf der Banderole neben dem Namen des Herstellers. »Weshalb verwenden Sie diese Farben und nicht die eines anderen Herstellers? Gibt es da Unterschiede?«
    »Natürlich. Diese hier«, Carne griff nach einer Tube Indischrot, »sind von einmaliger Brillanz. Das liegt an der Reinheit der Farbpigmente. Bisher habe ich nichts Vergleichbares gefunden.«
    »Interessant«, sagte Dühnfort. »Mit einer Analyse könnte man also feststellen, von welchem Hersteller eine Farbe stammt?«
    »Vermutlich. Aber weshalb wollen Sie das tun?«
    Dühnfort lehnte sich zurück, beobachtete, wie Lichtenbergs Mimik sich langsam wandelte, sah Beunruhigung darin aufsteigen. »Ein aktueller Fall. Es gibt Ähnlichkeiten zu einem Verbrechen, das vor sechs Jahren in Düsseldorf geschah.«
    Der mächtige Brustkasten des Malers hob und senkte sich. »Sie meinen den Mord an Svenja?«
    Dühnfort wartete ab.
    »Damit hatte Bruno nichts zu tun. Er hatte nur das Pech, der letzte Freier gewesen zu sein, an den Svenjas Kolleginnen sich erinnern konnten. Aber es muss noch einen nach ihm gegeben haben, den Kerl im schwarzen Wagen.«
    Gina rutschte bis zur Sofakante vor. »Weshalb gehen Sie eigentlich zu Prostituierten?«
    »Ich gehe nicht. Bruno ging.«
    »Und weshalb tat Bruno das?«
    »Fragen Sie ihn.«
    »Tue ich doch.«
    »Irrtum. Bruno ist tot.«
    Das wird jetzt langsam surreal, dachte Dühnfort. »Dieser schwarze Wagen damals vor sechs Jahren, der muss, kurz nachdem Sie Svenja verlassen hatten, aufgetaucht sein. Ihnen ist er nicht aufgefallen?«
    Carne erhob sich vom Sofa. »Wenn Sie nicht bereit sind zu akzeptieren, dass Bruno tot ist, dann hat dieses Gespräch keinen Sinn.«
    Dühnfort, dem nicht danach war, zu diesem Hünen aufzusehen, stand ebenfalls auf. »Gut, dann machen wir es kurz und knackig. Wo waren Sie am vergangenen Samstag zwischen zwanzig und zweiundzwanzig Uhr?«
    »Geht das wieder los. Soll ich jetzt für jede enthauptete Frau auf Gottes weitem Erdboden den Kopf hinhalten?«
    »Eine enthauptete Frau also. Aha.« Gina kam auch auf die Beine.
    »Falls Sie es nicht wissen sollten: Das stand vor ein paar Tagen auf allen Titelseiten.« Ein feines Lächeln stahl sich in Carnes Mundwinkel, während er Gina mit kaltem Blick musterte. »Letzten Samstag … keine Ahnung, was ich da gemacht habe. Ich müsste in meinem Outlook nachsehen. Der PC steht im Haus.«
    Dühnfort und Gina folgten Carne zu einer Verbindungstür, durchquerten den

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