So unselig schön
der alten Brauerei, während Alois über Kundenlisten brütete, die er von Händlern für Metzgereibedarf angefordert hatte. Buchholz hatte die Vermutung geäußert, Nadines Kopf sei mit einem Ausbeinmesser abgetrennt worden.
Dühnfort informierte die beiden über die Vermissung Jana Wittichs. »Wir brauchen Anhaltspunkte, wo sie sich aufhalten könnte. Alois, das übernimmst du. Frau Heppner wartet in Siggis Büro auf dich.«
»Bin schon unterwegs.« Alois griff nach seinem Trenchcoat und verließ den Raum.
»Wenn du die Bänder der Verkehrsüberwachung anfordern und überprüfen könntest«, wandte Dühnfort sich an Gina. »Vielleicht haben wir Glück und der schwarze Punto ist auf einem zu sehen.«
»Du denkst, er hat die Nummernschilder geklaut.«
»Sieht ganz danach aus.«
»Jana ist eine Prostituierte. Das Szenario gleicht dem vor sechs Jahren in Düsseldorf. Wie passt da Nadine ins Bild? Sie ging nicht auf den Strich, befand sich zum Zeitpunkt ihres Verschwindens auch nicht in einer Gegend, wo man die Damen normalerweise findet, und sie ist in einen silberfarbenen Jaguar gestiegen, nicht in einen schwarzen Kleinwagen.«
Dühnfort setzte sich auf die Kante von Ginas Schreibtisch. Sie hatte recht. Das Verschwinden Nadines fiel aus dem Rahmen. Wenn der Hass des Täters sich gegen käufliche Frauen richten würde, wäre er nicht vom Schema abgewichen. Vermutlich wählte er bloß deshalb Prostituierte, weil er leichter an sie herankam. Das Äußere war also entscheidend. Die langen Haare, die schlanke Figur, der kindliche Körper. Nadine war ihm zufällig über den Weg gelaufen, und sie hatte perfekt ins Schema gepasst. »Ich denke, das war ein spontaner Entschluss. Sie entspricht genau dem Typ, den er sucht. Er hat sie gesehen und angesprochen. Vielleicht war es ja auch umgekehrt, und Nadine hat ihn gefragt, ob er ihr den Weg zum Gandl sagen könnte.«
»Und er hat angeboten, sie zu fahren. Ist dann aber nicht zum Gandl … Im Auto mitten in der Stadt kann er sie unmöglich überwältigt haben. Er muss sie überredet haben, das Date im Gandl sausen zu lassen.« Gina stützte den Kopf in die Hände. »Er muss schon verdammt gut aussehen und vertrauenerweckend wirken. Wer also? Fuhrmann oder Lichtenberg? Wobei der eher nicht. Zu dem würde ich nicht freiwillig ins Auto steigen. Außerdem fährt er einen BMW .«
»Vielleicht täuscht Schack sich, und es war doch kein Jaguar, sondern einfach ein silberfarbenes Coupé.«
»Du meinst, so eines, wie Lichtenberg es fährt?« Gina schob den Stuhl zurück. »Ich organisiere jetzt die Überwachungsbänder und checke dann, wer einen schwarzen Punto gemietet hat.«
»Gut. Um die Handyortung und die Fahndung nach dem Fahrzeug kümmere ich mich.«
Dühnfort kehrte in sein Büro zurück und schaltete das Licht an. Der Tag war noch immer grau und dunkel, als wäre es bereits November, als wäre der Sommer spurlos vorübergegangen. Zögernd stand er mit Janas Bild in der Hand vor der Pinnwand. Er brachte es nicht über sich, es in die Nähe der Fotos von Svenja und Nadine zu heften, und legte es schließlich auf den Schreibtisch. Dann griff er zum Telefon und wählte Schacks Nummer. Die Mailbox schaltete sich an, Dühnfort bat um Rückruf. Anschließend suchte er Christoph Leyenfels auf.
***
Der Regen erinnerte Vicki an England. Fein und pieselig, alles durchdringend. Das sollte Sommer sein? Mit dem Rad zu fahren konnte sie vergessen. Sie löste ein Tagesticket, stieg in die S-Bahn zum Hauptbahnhof und dort in die U-Bahn Richtung Königsplatz. Seit Paris hasste sie es, U-Bahn zu fahren. Trotzdem tat sie es. Sie ging wie immer zwischen Bahnsteigkante und der Linie entlang, die man nicht überschreiten sollte, bevor der Zug gehalten hatte. Als ein schwacher Luftzug aus dem Tunnel zu strömen begann, begann ihr Herz schneller zu schlagen. Eine unangenehme Kühle legte sich in ihren Magen, eine unsichtbare Hand umfasste ihren Hals und drückte zu. Trotzdem blieb sie stehen, wich keinen Millimeter. Würgte die Angst hinunter. Ignorierte die Lautsprecherdurchsage. Bitte vom Sicherheitsstreifen zurücktreten. Der Luftzug wurde stärker, das Rattern lauter. Du dumm’s Madl. Gehst jetzt endlich a Stück zurück! Waggons wischten vorbei, wurden langsamer, kamen zum Stehen. Vicki atmete durch und stieg ein. Man durfte sich einfach nicht unterkriegen lassen.
Kurz nach zehn stieg sie am Königsplatz aus und nahm den Ausgang zur Glyptothek, die sie am Freitag, bei ihrem ersten
Weitere Kostenlose Bücher