So unselig schön
es.« Vicki wies auf das Haus.
Wernegg taxierte es mit kritischem Blick. Klar, ein Schloss war das nicht. Was hatte er denn erwartet? Sie stieg aus, ging über einen asphaltierten Weg zum Haus und hörte, wie Wernegg ihr folgte.
Hinter der Glasscheibe der Eingangstür stand Peter, wie so oft, und starrte hinaus, als sei er ein Gefangener. Als er sie entdeckte, ging in seinem Gesicht die Sonne auf. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen die Tür, drückte sie auf und rannte mit einem unartikulierten Freudenschrei auf Vicki zu. Er umklammerte ihre Beine und drückte sein Gesicht an ihre Hüfte.
»He, Zwerg. Nicht so stürmisch. Du wirfst mich ja um.« Sie griff nach Peters Händen, löste sie sanft und ging in die Hocke. »Na, alles im Lot?«, fragte sie und wuschelte ihm durch die Haare.
Peter nickte. Das strahlende Lächeln verschwand, und der gewohnte ernste Ausdruck erschien wieder.
»Schau mal, Peter, das ist der Herr Wernegg«, sie wies nach oben. »Und weißt du was, der kann Wünsche erfüllen, obwohl er keine blauen Wunschpunkte im Gesicht hat wie das Sams. Soll ich dir verraten, welchen Wunsch er uns erfüllen wird?«
Peter nickte bedächtig, wobei er aus den Augenwinkeln nach oben schielte.
Vicki flüsterte es Peter ins Ohr.
Daraufhin erklang wieder ein Freudenschrei, Peter stürzte sich auf Wernegg und umfing nun für eine Sekunde dessen Beine.
Auch er ging neben Peter in die Hocke. »Freust du dich so auf die Pferde?«
Ein eifriges Kopfnicken war die Antwort.
In der Tür erschien Isolde. Sie trug eine schwarze Leinenhose und eine petrolfarbene weite Bluse, die ihre birnenförmige Figur kaschierte. Ein Kranz von Lachfalten umgab ihre Augen, und hennarote Locken wippten, als sie auf Vicki zukam. »Grüß dich.« Eine Umarmung folgte und dann ein interessierter Blick. »Und Sie sind sicher Herr Wernegg.«
Wernegg reichte Isolde die Hand. »Und Sie sind vermutlich die Heimleiterin. Frau Petri?« Zum ersten Mal fiel Vicki seine Stimme auf. Sie war warm und freundlich, wie das Murmeln eines warmen Sommerregens.
Isolde lächelte. »Genau. Womit fangen wir an? Am besten mit einer Besichtigung.«
In der folgenden Stunde führten Vicki und Isolde Wernegg durch das Heim, zeigten ihm die Gruppenzimmer, die Räume für Musik, Tanz und Ergotherapie und die Sporthalle. Dann besuchten sie eine der heilpädagogischen Gruppen, in denen Kinder im Alter von drei bis dreizehn Jahren gemeinsam mit Erziehern und Pädagogen in einer Art von Familie zusammenlebten. Peter war immer mit dabei, seine kleine, verschwitzte Hand fest in Vickis geschoben.
Am Ende des Rundgangs erreichten sie einen der Gruppenräume und setzten sich an einen runden Tisch. Isolde holte Nico, Sabrina und Jessica dazu.
Nico war ein bulliger Junge, der seine Angst hinter einem verächtlichen Zug um den Mund und einem rebellischen Funkeln in den Augen versteckte. Sabrina dagegen schien wie so oft in eine ihrer Phantasiewelten entrückt. Sie war blass, mager, beinahe durchscheinend, wie eine der Märchenwelt entstiegene Fee. Jessica presste ängstlich ihren Stofftiger an sich, als könnte er ihr Stärke und Mut verleihen, und musterte Wernegg unter halb gesenkten Lidern. Peter setzte sich auf den Stuhl neben Vicki und ließ ihre Hand los.
»So, ihr Lieben«, sagte Isolde. »Wir haben einen Gast. Das ist Herr Wernegg. Er leitet eine Stiftung. Was das ist, erkläre ich euch gleich, aber vorher habe ich eine Frage. Erinnert ihr euch noch an den Ausflug, den wir kurz nach Ostern gemacht haben?«
Jessica drückte ihren Tiger fester an sich. »Zu den Ponys.« Der Tiger wanderte Richtung Kinn, doch plötzlich legte sie ihn auf den Tisch. »Ich habe eins gefüttert«, sagte sie stolz. »Es hat eine Karotte aus meiner Hand geschnubbelt.«
»Pah. Das ist doch gar nichts«, sagte Nico. »Ich bin sogar auf einem geritten. Drei Runden.« Der verächtliche Zug verschwand. »Fahren wir wieder mal dorthin?«
Peter nickte eifrig. Vicki hoffte, er würde es sagen, mit seinem Exklusivwissen prahlen. Aber er schwieg.
Sabrina blickte weiter unbeteiligt in die Ferne.
»Und du, Sabrina?«, fragte Wernegg. »Hat dir der Ausflug zu den Pferden nicht gefallen?«
Für einen kurzen Augenblick wanderte ihr Blick zu ihm, wurde dann wieder weich, durchscheinend und kehrte in ihre Innenwelt zurück.
»Mir kommen sie manchmal wie Fabelwesen vor«, sagte Wernegg. »Als Kind hatte ich eines. Es hieß Pegasus, wie das geflügelte Pferd aus der Sage. Es war auch genauso
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