So unwiderstehlich reizvoll
nicht? Sie scheinen mit Ihrer Meinung doch sonst nicht hinter dem Berg zu halten.“
„Raphael, bitte!“ Peinlich berührt rang Josie die Hände. „Miss Lawrence wollte lediglich Konversation betreiben.“ Sie nahm die Tasse mit der Untertasse vom Tablett und schenkte ein. „Zitrone oder Milch und Zucker?“, erkundigte sie sich.
Längst schon fühlte Juliet sich nicht mehr wohl in ihrer Haut. Durch ihr Erscheinen war die friedliche Atmosphäre, die sie beim Betreten der Küche gespürt hatte, empfindlich gestört worden. „Nur etwas Milch, bitte.“
Gedankenverloren beobachtete sie, wie Josie mit dem Sahnegießer hantierte. Raphael allerdings war an dem Stimmungsumbruch auch nicht unschuldig, schließlich hatte er sie absichtlich brüskiert. Ob Carys Vorbehalte ihm gegenüber vielleicht doch nicht so ganz aus der Luft gegriffen waren?
„Gefällt Ihnen Ihr Zimmer?“, fragte Josie freundlich und deutete auf den Stuhl neben sich.
„Danke, sehr sogar.“ Juliet setzte sich. „Der Blick auf die Flussmündung ist einfach traumhaft.“
Raphael ließ sie nicht aus den Augen. Was mochte die alte Dame veranlasst haben, Juliet Lawrence ausgerechnet in den Räumen seiner Mutter unterzubringen? Und was sah diese attraktive Frau in einem Versager wie Cary? Sie hatte eine gescheiterte Ehe hinter sich, das wusste er von Lady Elinor. Vielleicht wirkte sie darum scheu und verletzlich.
Obwohl Raphael die Lider halb gesenkt hielt, spürte Juliet, wie er sie eingehend musterte. Was mochte er von ihr denken? Dass sie es genau wie Cary lediglich auf das Geld von Lady Elinor abgesehen hatte?
Wieder war es Josie, die eine unverfängliche Unterhaltung in Gang zu bringen versuchte. „Samstagabend gibt deine Großmutter ein kleines Essen, hat sie dir das erzählt?“, wandte sie sich an Raphael.
„Nein, warum auch? Oder bin ich eingeladen?“
„Nein.“ Josie zögerte. „Aber Lord Holderness und Frau kommen.“
„Wirklich?“ Er verzog das Gesicht. „Die gute Elinor lässt anscheinend nichts ungetan, um die Notbremse zu ziehen.“
„Das kann wohl sagen …“ Erst jetzt schien Josie aufzufallen, dass Raphael und sie nicht allein waren, denn plötzlich verstummte sie.
„Lass es gut sein“, tröste Raphael, dem nicht entging, wie niedergeschlagen die alte Haushälterin plötzlich wirkte. „Wenn du mich brauchst, bin ich jederzeit zur Stelle, ob mit oder ohne Einladung.“
„Danke, Raphael.“
Das klang aufrichtig. Der Umgangston der beiden zeigte, welch enge Beziehung sie hatten. Offensichtlich sieht Josie Raphael mit anderen Augen als ich, dachte Juliet. Unwillkürlich riskierte sie einen Blick in seine Richtung.
Nachdenklich erwiderte er ihn. Obwohl Juliet sofort wieder den Kopf senkte, entging ihr nicht, dass Raphael ihre Persönlichkeit ebenso hinterfragte wie sie seine. Für ihn war sie wahrscheinlich eine kaltherzige und rücksichtslose Frau, die sich Cary allein wegen seiner gesellschaftlichen Position und finanziellen Aussichten an den Hals geworfen hatte.
Wenn er wüsste!
Entschlossen, etwas gegen den schlechten Eindruck, den er von ihr hatte, zu unternehmen, hob sie wieder den Kopf und sah ihm ins Gesicht. „Cary erwähnte, sie seien Künstler, Mr. Marchese. Sollte ich von Ihnen gehört haben?“
„Cary hat lediglich behauptet, ich triebe mich ständig mit anderen Möchtegern-Künstlern herum“, konterte er angriffslustig.
„Raphael!“ Josie war entsetzt.
Juliet überhörte den Einwurf und nahm die Herausforderung an. „Und tun Sie das?“, hakte sie unerschrocken nach.
Ruhig setzte er seine leere Tasse ab, und zum ersten Mal, seit Juliet den Raum betreten hatte, sah er sie ohne jede Feindseligkeit an. „Nein. Es gehört nur zu Carys hervorstechenden Eigenschaften, alles, was er nicht versteht, in den Dreck zu ziehen.“
„Raphael, bitte …“
Diesmal ging Juliet auf Josie ein. „Machen Sie sich keine Sorgen, Mrs. Morgan.“ Aufmunternd lächelte sie der Haushälterin zu. „Mr. Marchese mag mich nicht, das ist offensichtlich. Für mich ist das nicht weiter schlimm, denn ich bringe ihm auch keine großen Sympathien entgegen.“ Sie trank den letzten Rest Tee und stellte die Tasse zurück auf den Tisch. „Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen, würde ich mich gern draußen etwas umsehen. Ich hoffe, es spricht nichts dagegen.“
Ohne sich noch einmal umzusehen, verließ sie die Küche.
Gerade als sie die Halle betrat, kam zu ihrem Leidwesen Cary die Treppe hinunter. Die Situation
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