So wahr uns Gott helfe
kommen hören. Die Pistole! Schnell, die Pistole!
Endlich bekam ich die Tür auf. Ich stürmte den Gang zur Kanzlei hinunter. Als ich einen kurzen Blick hinter mich warf, sah ich, wie der Mann die Tür gerade noch rechtzeitig erreichte, bevor sie zufiel und sich wieder selbst verriegelte. Er war mir weiter auf den Fersen.
Den Schlüssel immer noch in der Hand, erreichte ich die Kanzleitür. Ich fummelte ihn hektisch ins Schloss und spürte, wie der Mörder näher kam. Endlich bekam ich die Tür auf. Ich stürzte nach drinnen, knallte die Tür hinter mir zu und verriegelte sie. Ich klatschte auf den Lichtschalter und hetzte durchs Vorzimmer in Vincents Büro.
Die Pistole, die mir Cisco dagelassen hatte, lag in der Schreibtischschublade. Ich holte sie heraus, riss sie aus dem Holster und kehrte ins Vorzimmer zurück, wo ich durch die Milchglasscheibe die Silhouette des Mörders erkannte. Er versuchte, die Tür zu öffnen. Ich zielte auf den verschwommenen Schemen.
Nach kurzem Zögern hob ich die Pistole weiter an und schoss zweimal in die Decke. In der Enge des Zimmers war der Lärm ohrenbetäubend.
»Nur zu!«, brüllte ich. »Komm bloß rein!«
Die Silhouette auf der anderen Seite der Glastür verschwand. Ich hörte Schritte, die sich auf dem Flur entfernten, und dann ging die Tür zur Brücke auf und wieder zu. Ich stand reglos da und lauschte auf weitere Geräusche. Doch alles blieb still.
Ohne den Blick von der Tür abzuwenden, hastete ich zum Schreibtisch im Vorzimmer und griff nach dem Telefon. Ich wählte die Notrufnummer, und eine Bandansage versicherte mir, mein Anruf sei wichtig, und forderte mich auf, zu warten, bis der nächste Mitarbeiter frei werde.
Ich merkte, dass ich zitterte, nicht vor Angst, sondern wegen einer Überdosis Adrenalin. Ich legte die Pistole auf den Schreibtisch, griff in meine Hosentasche und stellte fest, dass mein Handy nicht mit dem anderen Kram herausgefallen war. Das Kanzleitelefon in einer Hand, klappte ich mit der anderen das Handy auf und rief Harry Bosch an. Er ging beim ersten Läuten dran.
»Bosch! Der Typ, den Sie mir gezeigt haben, war gerade hier!«
»Haller? Was sagen Sie da? Wer?«
»Der Kerl auf dem Foto, das Sie mir heute Morgen gezeigt haben! Der mit der Pistole im Hosenbund!«
»Alles klar, aber beruhigen Sie sich erst mal. Wo ist er? Wo sind Sie?«
Ich merkte, dass die Anspannung meine Stimme gepresst und schneidend klingen ließ. Verlegen holte ich tief Luft und versuchte, mich zu beruhigen, bevor ich antwortete.
»Ich bin in der Kanzlei. In Vinzents Kanzlei. Ich wollte gerade gehen, da habe ich ihn im Parkhaus gesehen. Ich bin wieder zurück, und er ist mir gefolgt. Er hat versucht, in die Kanzlei einzudringen. Jetzt ist er, glaube ich, weg. Aber sicher bin ich nicht. Ich habe ein paar Schüsse abgegeben und dann …«
»Sie haben eine Waffe?«
»Allerdings.«
»Dann stecken Sie das Ding mal schnell wieder weg, bevor noch jemand zu Schaden kommt.«
»Wenn der Kerl noch da draußen ist, soll er ruhig zu Schaden kommen. Wer ist er eigentlich?«
Bosch antwortete erst nach einer kurzen Pause.
»Das weiß ich noch nicht. Hören Sie, ich bin noch in der Stadt und wollte selbst gerade nach Hause fahren. Ich sitze schon im Auto. In fünf Minuten bin ich bei Ihnen. Bleiben Sie, wo Sie sind. Und schließen Sie die Tür ab.«
»Keine Angst, ich rühre mich nicht von der Stelle.«
»Und schießen Sie nicht auf mich, wenn ich zu Ihnen komme.«
»Keine Sorge.«
Ich langte über den Schreibtisch und legte das Kanzleitelefon ab. Wenn Bosch kam, brauchte ich die Polizei nicht mehr. Ich griff wieder nach der Pistole.
»Haller? Sind Sie noch dran?«
»Ja.«
»Was wollte er?«
»Wie?«
»Dieser Kerl. Weshalb ist er bei Ihnen aufgetaucht?«
»Gute Frage. Leider habe ich keine Antwort darauf.«
»Lassen Sie endlich den Scheiß und reden Sie!«
»Ich sage Ihnen doch, ich hab keinen blassen Schimmer. Und jetzt quatschen Sie nicht lange, sondern kommen Sie endlich her!«
Vor lauter Anspannung ballte ich die Hände zu Fäusten und gab dabei versehentlich einen Schuss in den Fußboden ab. Ich zuckte zusammen, als wäre ich von jemandem beschossen worden.
»Haller!«, brüllte Bosch ins Telefon. »Was war das?«
Ich holte tief Luft und brauchte einige Zeit, um mich so weit zu beruhigen, dass ich zu einer Antwort fähig war.
»Haller? Was war das gerade?«
»Kommen Sie her, dann sehen Sie schon.«
»Haben Sie ihn getroffen? Haben Sie ihn
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