So wahr uns Gott helfe
einzigen flüssigen Bewegung fuhr Bosch herum, sprang von seinem Stuhl auf, zog seine Waffe und richtete sie auf die Tür.
Dort stand ein Mann mit einem Müllsack, der erschrocken die Augen aufriss.
Bosch ließ seine Waffe sofort wieder sinken, und der Putzmann wirkte, als würde er jeden Moment in Ohnmacht fallen.
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Bosch.
»Ich komme später wieder«, sagte der Mann mit einem starken osteuropäischen Akzent.
Damit drehte er sich um und verschwand rasch nach draußen.
»Verdammte Scheiße!«, fluchte Bosch, dem es sichtlich unangenehm war, auf einen Unschuldigen gezielt zu haben.
»Jetzt werden unsere Abfalleimer wohl nie wieder geleert werden«, bemerkte ich.
Bosch stampfte zur Tür und schloss sie von innen ab. Dann kam er an den Schreibtisch zurück und stierte mich wütend an. Er setzte sich wieder, holte tief Luft und fuhr in wesentlich ruhigerem Ton fort: »Freut mich, dass Sie Ihren Sinn für Humor nicht verloren haben, Herr Anwalt. Aber genug jetzt mit den dummen Sprüchen.«
»Einverstanden, keine Sprüche mehr.«
Bosch schien innerlich mit sich zu ringen, was er als Nächstes sagen oder tun sollte. Sein Blick schweifte durch den Raum und blieb dann an mir haften.
»Also schön, Sie haben Recht. Es ist meine Aufgabe, diesen Kerl zu fassen. Aber er ist hier aufgetaucht! In diesem Büro! Und das vermutlich nicht ohne Grund. Entweder er wollte Sie umbringen, was allerdings unwahrscheinlich ist, da er Sie anscheinend nicht einmal kennt, oder er wollte etwas von Ihnen haben. Aber was könnte das sein? Was befindet sich in dieser Kanzlei oder in Ihren Akten, das zur Identifizierung des Killers führen könnte?«
Ich bemühte mich ebenfalls um einen ruhigeren Tonfall.
»Ich kann Ihnen nur versichern, dass meine Sekretärin seit Dienstag diese Kanzlei gründlich durchforstet. Mein Ermittler war hier, und ebenso Jerry Vincents Empfangsdame, bis sie heute Mittag gekündigt hat. Und keinem von uns, Detective, keinem ist es gelungen, die rauchende Pistole zu finden, die Ihrer Meinung nach hier irgendwo versteckt sein muss. Sie behaupten ständig, Vincent hätte jemanden bestochen. Aber ich finde in keiner Akte irgendeinen Hinweis darauf, noch hat einer meiner Mandanten etwas Derartiges angedeutet. Ich habe die letzten drei Stunden in aller Gründlichkeit die Elliot-Akte studiert, und habe auch dort nicht das geringste Indiz dafür entdeckt, dass er jemanden bestochen oder geschmiert hätte. Im Gegenteil, ich habe herausgefunden, dass er gar niemanden zu bestechen brauchte. Vincent hatte eine Wunderwaffe, und seine Chancen, den Prozess zu gewinnen, standen verdammt gut. Wenn ich Ihnen also sage, ich habe nichts, meine ich das auch. Ich mache Ihnen nichts vor. Ich verschweige Ihnen nichts. Ich kann Ihnen nichts geben. Nichts.«
»Und was ist mit dem FBI?«
»Dasselbe. Fehlanzeige.«
Bosch antwortete nicht. Echte Enttäuschung verdüsterte seine Miene. Ich fuhr fort:
»Wenn dieser Schnurrbärtige der Mörder ist, dann gibt es natürlich einen Grund, warum er nochmal hierhergekommen ist. Nur kenne ich ihn nicht. Ob mir das Sorgen bereitet? Verdammt, ich mache geradezu in die Hosen vor Angst deswegen. Denn wenn dieser Kerl etwas bei mir sucht, das ich tatsächlich habe, und ich hab keinen Schimmer, was es ist, dann sitz ich offensichtlich ziemlich in der Klemme.«
Bosch erhob sich unvermittelt. Er zog Ciscos Pistole aus dem Hosenbund und legte sie auf den Schreibtisch.
»Lassen Sie das Ding geladen. Und an Ihrer Stelle würde ich künftig nicht mehr nachts arbeiten.«
Er drehte sich um und marschierte zur Tür.
»War’s das?«, rief ich ihm hinterher.
Er machte kehrt und kam an den Schreibtisch zurück.
»Was wollen Sie sonst noch von mir?«
»Sie quetschen mich ständig nach Informationen aus. Hauptsächlich nach solchen, die ich Ihnen nicht geben kann. Umgekehrt geizen Sie mit Auskünften, und das ist zur Hälfte der Grund, warum ich mich in Gefahr befinde.«
Bosch machte den Eindruck, als würde er gleich über den Schreibtisch hechten und mich würgen. Doch dann schien er sich wieder zu beruhigen. Bis auf die pochende Ader neben seiner linken Schläfe. Sie gab keine Ruhe. Und dieses kleine verräterische Zeichen weckte wieder dieses seltsame Gefühl von Vertrautheit in mir.
»Scheiß drauf«, brummte er schließlich. »Was wollen Sie wissen? Los. Stellen Sie mir eine Frage – egal welche –, und ich beantworte sie Ihnen.«
»Mich interessiert vor allem das
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