So wahr uns Gott helfe
niedergeschossen?«
Ohne ein weiteres Wort klappte ich das Handy zu.
ZWEIUNDDREISSIG
B osch brauchte nur sechs Minuten, aber mir kam es vor wie eine halbe Ewigkeit. Auf der anderen Seite der Milchglasscheibe wurde ein dunkler Umriss sichtbar, und es klopfte laut.
»Haller, ich bin’s, Bosch.«
Die Pistole gesenkt haltend, schloss ich die Tür auf und ließ ihn herein. Auch er hatte seine Waffe gezogen.
»Irgendwas Neues, seit wir telefoniert haben?«, fragte er.
»Nichts mehr von ihm gehört oder gesehen. Wahrscheinlich hab ich ihm einen Höllenschreck eingejagt, und er hat sich verpisst.«
Bosch steckte seine Waffe ins Halfter und bedachte mich mit einem Blick, der offensichtlich besagen sollte, mit meinen markigen Sprüchen könnte ich höchstens mich selbst beeindrucken.
»Was war mit dem letzten Schuss?«
»Ein Versehen.«
Ich deutete auf das Loch im Fußboden.
»Geben Sie mir die Waffe lieber, bevor Sie sich noch selbst umlegen.«
Ich reichte sie ihm, und er schob sie in seinen Hosenbund.
»Sie besitzen keinen Waffenschein. Habe ich überprüft.«
»Sie gehört meinem Ermittler. Er lässt sie nachts immer hier.«
Bosch studierte die Decke, bis er die zwei Einschusslöcher entdeckte. Dann musterte er mich und schüttelte den Kopf.
Er trat ans Fenster und spähte durch die Jalousie hinaus auf die Straße. Um diese Uhrzeit war der Broadway menschenleer. Ein paar Gebäude in der Nähe waren in Loftwohnungen umgewandelt worden. Trotzdem würde es wohl noch lange dauern, bis der Broadway wieder mit dem pulsierenden Nachtleben aufwarten konnte, das hier vor achtzig Jahren geherrscht hatte.
»Okay, dann setzen wir uns erst mal«, sagte Bosch.
Er wandte sich vom Fenster ab und bemerkte, dass ich direkt hinter ihm stand.
»In Ihrem Büro.«
»Warum?«
»Weil wir reden müssen.«
Ich betrat das Büro und setzte mich an den Schreibtisch. Bosch nahm mir gegenüber Platz.
»Zuallererst, hier sind Ihre Sachen. Ich habe sie draußen auf der Brücke gefunden.«
Er zog meine Brieftasche und mehrere lose Belege aus seiner Jacke und warf alles auf den Schreibtisch. Dann fasste er noch einmal hinein und kramte die Münzen heraus.
»So, und was jetzt?«, fragte ich, während ich meine Sachen einsteckte.
»Jetzt reden wir«, sagte Bosch. »Zunächst, wollen Sie Anzeige erstatten?«
»Wozu? Sie haben es ja mitbekommen. Es ist Ihr Fall. Warum haben Sie eigentlich immer noch keine Ahnung, wer dieser Kerl ist?«
»Wir arbeiten daran.«
»Das ist ein bisschen wenig, Bosch! Er hatte es auf mich abgesehen! Warum können Sie ihn nicht identifizieren?«
Bosch schüttelte den Kopf.
»Vermutlich ist es ein Auftragskiller von auswärts. Vielleicht sogar aus dem Ausland.«
»Na großartig. Und warum ist er nochmal hergekommen?«
»Offensichtlich Ihretwegen. Weil Sie etwas wissen.«
»Ich? Ich weiß nicht die Bohne.«
»Sie sind jetzt drei Tage in dieser Kanzlei beschäftigt. Sie müssen irgendetwas herausgefunden haben, was Sie zu einer Gefahr für ihn werden lässt.«
»Ich sage Ihnen doch, ich weiß absolut nichts.«
»Warum sollte er sonst hier auftauchen? Hat er vielleicht beim ersten Mal etwas hiergelassen oder vergessen?«
Ich starrte ihn an. Ich wollte ihm wirklich helfen, denn ich hatte es satt, unter Beschuss zu stehen – in mehr als einer Bedeutung des Wortes. Und wenn ich eine Antwort auf seine Frage gewusst hätte, hätte ich sie ihm gegeben.
Ich schüttelte den Kopf.
»Mir fällt absolut nichts …«
»Lassen Sie den Quatsch, Haller!«, knurrte er mich an. »Ihr Leben ist in Gefahr! Wann kapieren Sie das endlich? Was wissen Sie?«
»Nichts! Hören Sie mir eigentlich zu?«
»Wen hat Vincent bestochen?«
»Das weiß ich nicht, und wenn ich es wüsste, dürfte ich es Ihnen nicht sagen.«
»Was wollte das FBI von ihm?«
»Auch das weiß ich nicht!«
Er starrte mich durchdringend an.
»Sie mieser Heuchler. Sie verstecken sich hinter Ihrer bescheuerten Schweigepflicht, während irgendwo da draußen der Killer lauert. Gegen eine Kugel sind Ihr Berufsethos und Ihre Prinzipien machtlos, Haller. Verraten Sie mir endlich, was Sie wissen!«
»Wie gesagt, ich weiß absolut nichts! Und deuten Sie nicht ständig mit Ihrem bescheuerten Finger auf mich. Außerdem ist das nicht meine Aufgabe, sondern Ihre. Und wenn Sie Ihren Dienst anständig versehen würden, könnten sich die Leute in dieser Stadt vielleicht endlich mal …«
»Darf ich kurz stören.«
Die Stimme kam aus Boschs Rücken. In einer
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