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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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ein Lügner sind?«
    »Nein, hören Sie. Als ich Ihnen gesagt habe, das Interview erscheint am Sonntag, bin ich wirklich davon ausgegangen. Die Redaktion hatte es mir fest zugesichert.«
    »Und jetzt haben wir Donnerstag, und es steht noch immer kein Artikel in der Zeitung. Und wenn ich Sie deswegen anrufe, melden Sie sich nicht zurück. Ich kenne genügend andere Journalisten, die an der Sache brennend interessiert sind, McEvoy. Ich bin nicht auf die Times angewiesen.«
    »Ich kann Sie durchaus verstehen, Haller. Aber die Redaktion hat beschlossen, den Artikel zurückzuhalten, damit er in zeitlicher Nähe zum Prozess erscheint.«
    »Der Prozess hat vor zwei Stunden begonnen.«
    Der Reporter schüttelte den Kopf.
    »Sie wissen schon, was ich meine. Der richtige Prozess. Die Zeugenaussagen, die Beweise. Sie bringen es am Sonntag auf der ersten Seite.«
    »Am Sonntag auf der ersten Seite. Kann ich mich darauf verlassen?«
    »Allerspätestens Montag.«
    »Also erst in einer Woche?«
    »So ist das eben im Nachrichtengeschäft. Da kann sich schnell was ändern. Der Artikel ist für Sonntag auf der ersten Seite eingeplant, aber wenn irgendwas Wichtiges passiert, bringen sie ihn möglicherweise erst Montag. Aber dann ganz sicher.«
    »Na ja. Das glaube ich erst, wenn ich es sehe.«
    Der Bereich vor den Liften hatte sich inzwischen geleert. Jetzt konnten Lorna und ich nach unten fahren, ohne irgendwelchen potenziellen Geschworenen zu begegnen. Ich nahm Lorna am Arm, um sie zum Lift zu führen, und schob mich an dem Reporter vorbei.
    »Alles klar dann?«, sagte McEvoy. »Es bleibt also dabei?«
    »Bei was?«
    »Dass Sie mit niemandem sonst reden? Dass ich es exklusiv kriege?«
    »Mal sehen.«
    Ich marschierte auf die Aufzüge zu und ließ ihn in Ungewissheit zurück. Wir verließen das Gerichtsgebäude und spazierten eine Straße weiter zur City Hall. Ich hatte Patrick dorthin bestellt, denn ich wollte nicht, dass mich irgendwelche zukünftigen Geschworenen vor dem Gerichtsgebäude in einen Lincoln mit einem Chauffeur am Steuer steigen sahen. Das wäre womöglich nicht gut bei ihnen angekommen. Aus diesem Grund hatte ich auch Elliot Anweisung erteilt, auf keinen Fall die Studiolimousine zu nehmen, sondern jeden Tag mit dem eigenen Wagen ins Gericht zu fahren. Man konnte nie wissen, wer außerhalb des Gerichtssaals etwas beobachtete und welche Auswirkungen das hatte.
    Ich wies Patrick an, zum French Garden in der Seventh Street zu fahren. Dann rief ich Bosch auf dem Handy an. Er ging sofort dran.
    »Grade habe ich mit dem Reporter gesprochen«, sagte ich.
    »Und?«
    »Jetzt bringen sie es endlich. Sonntag oder Montag. Auf der ersten Seite, behauptet er. Halten Sie sich also bereit.«
    »Na endlich.«
    »Allerdings. Sind Sie dann so weit?«
    »Machen Sie sich da mal keine Sorgen.«
    »Ich mache mir aber Sorgen. Es dreht sich schließlich um mein … Hallo?«
    Er hatte bereits aufgelegt. Ich klappte das Handy zu.
    »Was war das eben?«, fragte Lorna.
    »Nichts.«
    Ich wechselte rasch das Thema.
    »Hör zu, wenn du wieder in der Kanzlei bist, rufst du dann bitte gleich Julie Favreau an, ob sie morgen ins Gericht kommen kann.«
    »Ich dachte, Elliot will keinen Geschworenenberater.«
    »Er braucht ja nicht zu wissen, dass wir sie einsetzen.«
    »Und wie willst du sie dann bezahlen?«
    »Verbuche es unter allgemeine Kosten. Oder lass dir sonst was einfallen. Und wenn es gar nicht anders geht, bezahle ich sie aus meiner eigenen Tasche. Jedenfalls brauche ich sie, und was Elliot denkt, interessiert mich nicht. Zwei Ablehnungsmöglichkeiten habe ich bereits verpulvert, und wenn mich nicht alles täuscht, darf ich mir bei den morgigen Entscheidungen keinen Schnitzer erlauben. Ich möchte sie bei der Endauswahl dabeihaben. Sag ihr nur, der Gerichtsdiener weiß Bescheid und wird ihr einen Platz anweisen. Sie wird im Zuschauerbereich sitzen und soll mich nicht ansprechen, solange mein Mandant dabei ist. Falls es irgendetwas Wichtiges gibt, soll sie mir einfach eine SMS schicken.«
    »Okay, ich rufe sie an. Ist irgendwas, Mick?«
    Entweder hatte ich zu schnell gesprochen oder zu stark geschwitzt. Jedenfalls war Lorna meine Aufregung nicht entgangen. Mir war leicht schwindelig, und ich wusste nicht, ob es an dem bescheuerten Reporter lag, daran, dass Bosch aufgelegt hatte, oder weil mir schon in Kürze bevorstand, worauf ich ein Jahr lang hingearbeitet hatte. Zeugenaussagen und Beweise.
    »Nein, nein, alles klar«, entgegnete ich schroff.

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