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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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angeordnet, dass die Court-TV-Kamera so an der Wand über der Geschworenenbank angebracht wurde, dass sie sich außerhalb des Bildwinkels befand. Außerdem hatte er verfügt, dass die Identität der angehenden Jurymitglieder sogar den Anwälten verborgen blieb und sie nur mit ihrer Sitznummer aufgerufen wurden.
    Der Auswahlvorgang begann damit, dass der Richter jeden Kandidaten nach seinem Beruf fragte und in welchem Teil von Los Angeles County er lebte. Dann erkundigte er sich, ob der Kandidat jemals Opfer eines Verbrechens geworden war, ob er Verwandte im Gefängnis hatte oder mit Angehörigen von Polizei und Staatsanwaltschaft verwandt war. Er befragte sie zu ihren Kenntnissen über Rechtsprechung, gerichtliche Verfahrensweisen und zuletzt danach, wer schon einmal Geschworener gewesen war. Daraufhin entließ der Richter drei Kandidaten unter Nennung einer Begründung. Einen Postangestellten, dessen Bruder bei der Polizei war; einen Rentner, weil sein Sohn Opfer eines Drogenmordes geworden war; und die Drehbuchautorin, weil der Richter dem Verdacht vorbeugen wollte, sie könnte infolge des gespannten Verhältnisses zwischen Autoren und Studiobossen Elliot gegenüber voreingenommen sein.
    Ein vierter Kandidat, einer der beiden Techniker, wurde von der Liste gestrichen, weil der Richter seinem Antrag stattgab, ihn als Härtefall einzustufen. Der Mann war selbstständiger Berater, und zwei Wochen im Gericht bedeuteten für ihn zwei Wochen ohne Einkommen, wenn man einmal von den fünf Dollar pro Tag absah, die er für seine Geschworenentätigkeit erhielt.
    Die vier wurden rasch von den nächsten Kandidaten ersetzt. Und so ging es dann weiter. Bis Mittag hatte ich bei den verbleibenden Postangestellten von zwei meiner unbegründeten Ablehnungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht und wollte mit einer dritten bereits den zweiten Techniker streichen lassen, beschloss dann aber, die Mittagspause zum Nachdenken zu nutzen, bevor ich den nächsten Schritt unternahm. Währenddessen hatte Golantz sein Arsenal an Ablehnungsmöglichkeiten kein einziges Mal angegriffen. Seine Taktik war offensichtlich, mich mein Pulver verschießen zu lassen, um am Ende die Geschworenenbank nach seinen Vorstellungen zu besetzen.
    Elliot hatte sich gewissermaßen zum Chef der Verteidigung aufgeschwungen. Ich machte die ganze Arbeit mit den Geschworenen, aber er bestand darauf, jede meiner unbegründeten Ablehnungen abzusegnen. Das war mit zusätzlichem Zeitaufwand verbunden, weil ich ihm jedes Mal erklären musste, warum ich einen Geschworenen abservieren wollte, und er jedes Mal seinen Senf dazu geben musste. Aber zum Schluss erteilte er dann doch, ganz der Chef, mit einem Nicken seine Zustimmung, und der Geschworene wurde von der Liste gestrichen. Es war eine lästige Prozedur, mit der ich mich jedoch abfinden konnte, solange Elliot alle meine Entscheidungen abnickte.
    Kurz nach zwölf entließ uns der Richter in die Mittagspause. Obwohl der Verhandlungstag allein der Auswahl der Geschworenen vorbehalten war, war es für mich genaugenommen der erste Prozesstag seit über einem Jahr. Lorna Taylor war ins Gericht gekommen, um zuzusehen und Unterstützung zu signalisieren. Wir wollten gemeinsam zu Mittag essen, und dann würde sie in die Kanzlei fahren und beginnen, alles zusammenzupacken.
    Als wir gemeinsam aus dem Gerichtssaal auf den Flur traten, fragte ich Elliot, ob er uns Gesellschaft leisten wolle, aber er erklärte, er müsse kurz ins Studio fahren, um dort Verschiedenes zu erledigen. Ich schärfte ihm ein, sich nicht zu verspäten. Der Richter hatte uns für die Mittagspause großzügigerweise neunzig Minuten zur Verfügung gestellt und wäre bestimmt nicht begeistert, wenn jemand zu spät zur Verhandlung erschien.
    Lorna und ich ließen uns Zeit und warteten, bis die angehenden Geschworenen in die Lifte gestiegen waren. Ich wollte nicht mit ihnen nach unten fahren. In der Regel ist immer einer dabei, der den Mund nicht halten kann und eine nicht zulässige Frage stellt, und dann hat man das ganze Theater, weil man den Vorfall dem Richter melden muss.
    Als die Tür eines der Lifte aufglitt, bemerkte ich, wie Jack McEvoy von der Times sich durch die Geschworenen nach draußen drängte, kurz auf dem Flur umblickte und prompt auf mich zusteuerte.
    »Na prima«, knurrte ich. »Du kannst dich auf was gefasst machen.«
    McEvoy hielt direkt auf mich zu.
    »Was wollen Sie?«, sagte ich.
    »Ihnen alles erklären.«
    »Sie wollen mir erklären, warum Sie

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