So wahr uns Gott helfe
gefragt, aber er hat sich in Schweigen gehüllt und einfach das Thema gewechselt. Irgendwie ein bisschen eigenartig das Ganze. Ich weiß noch, dass ich anfänglich den Verdacht hatte, da müsse mehr dahinterstecken. Zum Beispiel, dass er Wyms wegen irgendetwas einen Gefallen schuldete. Aber als er ihn dann in Camarillo hat einweisen lassen, stand für mich fest, dass er ihm definitiv keinen Gefallen tun wollte.«
»Wie meinst du das?«
»Du brauchst dich doch nur ein paar Stunden mit diesem Fall beschäftigen, und du weißt, wie der Hase läuft. Das Ganze läuft eindeutig auf einen Deal hinaus. Gefängnis, psychologische Betreuung und anschließende Begutachtung. Das war eigentlich schon klar, bevor Wyms in Camarillo gelandet ist. Die Zeit dort hätte er sich also sparen können. Jerry hat das Unausweichliche nur hinausgezögert.«
Ich nickte. Sie hatte Recht. Man tat einem Mandanten keinen Gefallen, wenn man ihn nach Camarillo in die Psychiatrie schickte. Der rätselhafte Fall wurde immer rätselhafter. Leider war mein Mandant nicht in der geistigen Verfassung, um die Hintergründe aufzuklären. Sein Anwalt – Jerry Vincent – hatte ihn drei Monate lang wegsperren und mit Psychopharmaka vollpumpen lassen.
»Alles klar, Joanne. Danke. Lass uns …«
Ich wurde von der Protokollführerin unterbrochen, die die Verhandlung für eröffnet erklärte. Und als ich aufblickte, nahm gerade Richter Friedman auf der Richterbank Platz.
SIEBENUNDZWANZIG
A ngel Romeros Lebensgeschichte war beinahe filmreif. Als Bandenmitglied in den Straßen von East L. A. aufgewachsen, hatte er trotzdem seinen Weg gemacht und Jura studiert, um am Ende der Gesellschaft das erfahrene Gute wieder zurückzugeben. Und das sah in Angels Fall so aus, dass er zum Public Defenders Office ging und sozial Schwächere als Pflichtverteidiger vor Gericht vertrat. Er war schon sein ganzes Leben lang beim PDO und hatte dort viele junge Anwälte – darunter auch mich – kommen und gehen sehen, alle auf dem Weg zu einer eigenen Kanzlei und dem großen Geld, das man damit angeblich verdiente.
Gleich nach der Wyms-Verhandlung – bei der Richter Friedman einem Aufschub zugestimmt hatte, damit Giorgetti und ich uns in Ruhe auf einen Deal einigen konnten – fuhr ich hinunter ins Büro der Pflichtverteidiger im neunten Stock und fragte nach Romero. Ich wusste, er war nach wie vor als Anwalt tätig und nicht in der Verwaltung, und das hieß, dass er höchstwahrscheinlich gerade in einem der Gerichtssäle des CCB unterwegs war. Die Empfangsdame tippte kurz etwas in ihren Computer, blickte auf den Bildschirm und sagte dann: »Saal hundertvierundzwanzig.«
Ich bedankte mich bei ihr und machte mich auf den Weg.
Saal hundertvierundzwanzig war Richterin Champagnes Gerichtssaal im zwölften Stock, derselben Etage, aus der ich soeben gekommen war. Aber so war das Leben im CCB. Es schien sich im Kreis zu drehen. Ich fuhr mit dem Aufzug wieder nach oben und marschierte den Flur hinunter. Bevor ich durch die Flügeltür des Gerichtssaals trat, schaltete ich mein Handy aus. Das Gericht tagte, und Romero stand vor der Richterin und erläuterte ihr die Gründe für seinen Antrag auf eine Herabsetzung der Kaution. Ich nahm in der letzten Reihe des Zuschauerbereichs Platz und hoffte auf eine rasche Entscheidung der Richterin, damit ich nicht zu lange auf Romero zu warten brauchte.
Als Romero den Namen seines Mandanten erwähnte, Mr. Scales, horchte ich auf. Ich rutschte ein Stück zur Seite, um den neben Romero sitzenden Mann besser sehen zu können. Es war ein Weißer in einem orangefarbenen Gefängnisoverall, und ich erkannte sein Profil. Es war tatsächlich Sam Scales, ein Betrüger und ehemaliger Mandant von mir. Zum letzten Mal hatte ich ihn vor drei Jahren gesehen, als er nach einem Deal, den ich für ihn ausgehandelt hatte, im Gefängnis gelandet war. Offensichtlich war er in der Zwischenzeit entlassen worden und gleich wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Nur hatte er diesmal nicht bei mir angerufen.
Als Romero seine Ausführungen beendet hatte, erhob sich der Staatsanwalt und sprach sich mit Nachdruck gegen eine Herabsetzung der Kaution aus. Als Begründung führte er die neuen Anschuldigungen gegen den Angeklagten an. Zu meiner Zeit war Scales wegen Betrugs angeklagt, weil er Spenden an eine angebliche Hilfsorganisation für Tsunami-Opfer auf sein Konto veruntreut hatte. Diesmal war die Sache schlimmer. Er war erneut wegen Betrugs angeklagt, doch jetzt
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