So wahr uns Gott helfe
von ihr angeklagt zu werden.
»Ich werde anführen, dass mein Mandant in panischer Angst vor Kojoten auf den Suchscheinwerfer gezielt hat, nicht auf den Streifenwagen selbst. Aus deinen eigenen Unterlagen geht hervor, dass er bei der Army eine Auszeichnung für seine Schießkünste erhalten hat. Hätte er den Deputy töten wollen, hätte er das ohne weiteres gekonnt. Aber er hat es nicht getan.«
»Es ist fünfzehn Jahre her, dass er aus dem Militärdienst entlassen wurde, Mickey.«
»Schon möglich, aber bestimmte Dinge verlernt man nie. Wie Radfahren zum Beispiel.«
»Na schön, das ist durchaus ein Argument, das du bei den Geschworenen anbringen kannst.«
Meine Knie begannen leicht zu zittern. Ich griff nach einem der Stühle neben der Anklagebank, zog ihn mir heran und setzte mich.
»Klar, dieses Argument kann ich anbringen. Aber wahrscheinlich ist es im Interesse des Staates, diesen Fall schnellstmöglich vom Tisch zu bekommen, Mr. Wyms bis auf weiteres aus dem Verkehr zu ziehen und in irgendeine Therapie zu stecken, die verhindert, dass so was nochmal passiert. Also, was meinst du? Sollen wir uns in irgendeine Ecke verziehen und die Sache unter uns ausmachen oder es vor der Jury ausfechten?«
Sie dachte kurz nach, bevor sie antwortete. Es war das typische Anklägerdilemma. Es war ein Fall, den sie mühelos gewinnen könnte. Sie musste sich entscheiden, ob sie lieber ihre Statistik aufbessern oder das einzig Vernünftige tun wollte.
»Solange ich mir die Ecke aussuchen kann.«
»Nichts dagegen einzuwenden.«
»Okay, ich werde mich einem Aufschub nicht widersetzen, wenn du einen entsprechenden Antrag stellst.«
»Hört sich gut an, Joanne. Und was ist mit dem Absetzen der Drogen?«
»Ich möchte nicht, dass dieser Kerl nochmal ausrastet, und sei es nur im Men’s Central.«
»Dann warte ab, bis sie ihn in den Gerichtssaal bringen. Du wirst sehen, er ist nicht ansprechbar. Es kann nicht in deinem Interesse sein, die Sache jetzt durchzuziehen, damit er hinterher unseren Deal anficht, weil ihn der Staat in einen Zustand versetzt hat, in dem es ihm unmöglich war, rationale Entscheidungen zu treffen. Sehen wir zu, dass er wieder halbwegs klar im Kopf wird, und dann versuchen wir, eine Einigung zu erzielen. Danach kannst du immer noch veranlassen, dass sie ihn wieder bis oben hin vollpumpen.«
Sie dachte über meinen Vorschlag nach, fand ihn vernünftig und nickte schließlich.
»Aber wenn er im Gefängnis ausrastet, mach ich dich dafür haftbar. Außerdem wird er die Konsequenzen deutlich zu spüren bekommen.«
Ich lachte. Die Vorstellung, mir die Schuld für so etwas anzulasten, war absurd.
»Wie du meinst.«
Ich richtete mich auf und schob den Stuhl zurück zur Anklagebank. Dann drehte ich mich noch einmal um.
»Etwas ganz anderes, Joanne. Warum hat Jerry Vincent diesen Fall überhaupt übernommen?«
Sie zuckte mit den Achseln.
»Keine Ahnung.«
»Hat es dich denn nicht überrascht?«
»Doch, schon. Ich fand es etwas eigenartig, als er plötzlich auftauchte. Wie du weißt, kenne ich ihn ja schon lange.«
Aus ihrer gemeinsamen Zeit bei der Staatsanwaltschaft meinte sie damit.
»Aha. Und wie ist die Sache genau abgelaufen?«
»Vor ein paar Monaten habe ich eine Mitteilung über einen Verhandlungsfähigkeitsantrag für Wyms erhalten und Jerrys Name darunter entdeckt. Daraufhin hab ihn sofort angerufen und ihn gefragt: Was soll das? Kannst du nicht wenigstens anrufen und kurz Bescheid geben, dass du den Fall übernimmst? Worauf er nur gemeint hat, er wolle mal wieder was pro bono machen und hätte deswegen auf dem Revier wegen eines Falls angefragt. Nun kenne ich aber zufällig Angel Romero, den Pflichtverteidiger, der den Fall ursprünglich hatte. Und als ich ihm vor ein paar Monaten zufällig im Gericht begegnet bin, hat er sich erkundigt, was aus Wyms geworden ist. Wir kamen ins Gespräch, und bei der Gelegenheit hat er mir erzählt, Jerry hätte nicht einfach um irgendeinen beliebigen Pflichtverteidigerfall gebeten. Vielmehr hätte er zuerst Wyms im Men’s Central aufgesucht und ihn eine Mandatserteilung unterschreiben lassen. Damit ist er dann bei Angel aufgekreuzt und hat sich die Akte aushändigen lassen.«
»Was könnte deiner Meinung nach der Grund gewesen sein, dass er den Fall unbedingt haben wollte?«
Im Lauf der Jahre habe ich gelernt, dass man manchmal recht unterschiedliche Antworten erhält, wenn man dieselbe Frage mehrmals stellt.
»Keine Ahnung. Das habe ich ihn auch
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