So wahr uns Gott helfe
hoher Kriminalitäts- und Verkehrsdichte für mich geworben. Obwohl ich das ganze letzte Jahr nicht mehr als Anwalt praktiziert hatte, trug mir diese Werbung nach wie vor einen nicht abreißenden Strom von Anrufen ein, die Lorna alle abwimmelte oder weiterleitete.
»Die Laufzeit beträgt zwei Jahre, oder?«
»Ja.«
Ich traf eine rasche Entscheidung.
»Okay, verlängere ihn. Sonst noch was?«
»Das wär’s so weit. Halt, noch eine Sache. Die Hausverwalterin war heute hier. Sie möchte wissen, ob wir die Kanzlei behalten wollen. Wegen Jerrys Tod können wir kurzfristig aus dem Mietvertrag aussteigen, wenn wir möchten. Wenn mich nicht alles täuscht, gibt es für die Büros hier im Haus eine lange Warteliste, und deshalb wäre es für die Hausverwaltung eine willkommene Gelegenheit, die Miete zu erhöhen, wenn der nächste Anwalt einzieht.«
Ich blickte aus dem Fenster. Wir rollten gerade auf unserem Weg zurück zum Civic Center über die Rampe des Freeway 101, und ich konnte die neu gebaute katholische Kathedrale und dahinter die gewellte Stahlhaut der Disney Concert Hall sehen. Sie reflektierte das Sonnenlicht, das ihr einen warmen orangefarbenen Glanz verlieh.
»Ich weiß nicht, Lorna. An sich arbeite ich gern auf dem Rücksitz meiner Lincolns. Hier wird es mir nie langweilig. Was meinst du?«
»Ich bin auch nicht besonders scharf darauf, mich jeden Morgen schminken zu müssen.«
Das hieß, sie arbeitete lieber in ihrer Eigentumswohnung, als jeden Tag ins Büro fahren zu müssen. Wie üblich waren wir also einer Meinung.
»Das sind alles Dinge, die es zu berücksichtigen gilt«, sagte ich. »Kein Make-up. Keine Bürokosten. Kein täglicher Kampf um einen Stellplatz im Parkhaus.«
Sie antwortete nicht. Die Entscheidung bliebe mir überlassen. Ich blickte nach vorn und bemerkte, dass wir nur noch einen Block vom CCB entfernt waren.
»Lass uns darüber später nochmal reden«, sagte ich. »Ich muss gleich aussteigen.«
»Alles klar, Mickey. Pass auf dich auf.«
»Du auch.«
SECHSUNDZWANZIG
E li Wyms war nach drei Monaten in Camarillo immer noch mit Psychopharmaka vollgepumpt. Die Medikamente, die sie ihm dort verschrieben hatten, würden mir weder bei seiner Verteidigung helfen noch dabei, irgendetwas über einen möglichen Zusammenhang seiner Tat mit den Morden im Strandhaus herauszubekommen. Mir genügten zwei Minuten in der Haftzelle des Gerichts, um zu sehen, was mit ihm los war. Und ich fasste den Beschluss, bei Richter Friedman einen Antrag auf sofortige Absetzung der Psychopharmaka zu stellen. Anschließend kehrte ich in den Gerichtssaal zurück, wo Joanne Giorgetti bereits am Tisch der Anklage Platz genommen hatte. In fünf Minuten sollte die Verhandlung beginnen.
Sie schrieb gerade etwas auf die Innenseite eines Aktendeckels, als ich auf sie zuging. Ohne aufzusehen, wusste sie, dass ich es war.
»Du willst einen Aufschub, nicht?«
»Und eine sofortige Absetzung der Psychopharmaka. Der Kerl ist komplett zugedröhnt.«
Sie hörte auf zu schreiben und blickte zu mir auf.
»In Anbetracht der Tatsache, dass er blindlings auf meine Deputys geschossen hat, weiß ich nicht, warum man ihn aus diesem Zustand holen sollte.«
»Aber Joanne, ich muss zumindest die Möglichkeit haben, dem Kerl ein paar simple Fragen zu stellen, um ihn verteidigen zu können.«
»Wirklich?«
Sie sagte es mit einem Lächeln, aber die Botschaft war unmissverständlich. Ich zuckte mit den Achseln und ging in die Hocke, so dass sich unsere Augen auf gleicher Höhe befanden.
»Du hast natürlich Recht«, sagte ich. »Ich glaube nicht, dass es hier zu einem Prozess kommen wird. Deshalb würde ich gern schon mal ein Angebot von dir hören.«
»Dein Mandant hat auf einen besetzten Streifenwagen geschossen. Was das angeht, möchte der Staat sehr deutlich zum Ausdruck bringen, dass wir so etwas nicht gutheißen.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust, um zum Ausdruck zu bringen, dass der Staat in diesem Punkt zu keinem Kompromiss bereit war. Sie war eine attraktive Frau mit einer sportlichen Figur. Ihre Finger trommelten auf ihren strammen Bizepsen, und ich konnte nicht umhin, ihren roten Nagellack zu bemerken. So lange ich zurückdenken konnte, waren ihre Nägel ausnahmslos blutrot lackiert gewesen. Sie tat mehr, als den Staat zu vertreten. Sie vertrat Polizisten, die beschossen, körperlich attackiert, hinterrücks überfallen und bespuckt worden waren. Und sie verlangte das Blut jedes Straftäters, der das Pech hatte,
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