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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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ältere Dame aus der Parterrewohnung hatte sich sogar schon erdreistet, anzügliche Bemerkungen über Jujús nächtliche Ausgänge zu machen, worauf Jujú die Frau barsch darauf aufmerksam gemacht hatte, dass Voyeurismus ebenfalls kein sehr vornehmer Zug sei. Jujú konnte nur hoffen, dass diese Nachbarin ihr Wissen für sich behielt und sich wenigstens gegenüber Paulinho nicht entsprechend äußerte.
    Ach, ihr Leben wäre einfach perfekt, wenn sie und Fernando heiraten könnten! Doch bei dem einen Mal, da sie das Thema angeschnitten hatte, war Fernandos Reaktion so ablehnend gewesen, dass sie sich diesen Traum verbieten musste. »Jujú, du scheinst vergessen zu haben, dass du mir vor Jahren mehr als deutlich zu verstehen gegeben hast, dass ich als Ehemann für dich nicht tauge. Ich muss gestehen, dass ich es heute ähnlich sehe.« Das hatte wehgetan. Er hatte sie an ihrem wundesten Punkt getroffen, und zwar mit voller Absicht.
    Die Scheidung von Rui hätte sie schon irgendwie durchgesetzt. Aber dass Fernando sich von seiner Elisabete trennte, schien ausgeschlossen. Jujú war sich nicht sicher, ob sie seinen Ehrgeiz als Erklärung dafür allzu sehr strapazieren durfte. Sicher, es machte keinen guten Eindruck, wenn ein ranghoher Militär geschieden war. Aber es wäre nicht das erste Mal, und andere hatten vor Fernando bewiesen, dass sich eine geschiedene Ehe und eine hohe Position durchaus miteinander vertrugen.
    Was war es dann? Dass Fernando meinte, was er sagte, konnte Jujú nicht glauben. In Cannes war sie ja sogar, auf seinen Vorschlag hin, als Senhora Abrantes aufgetreten, und es hatte Fernando gefallen. War es seine Rache dafür, dass sie vor zwölf Jahren ihr Versprechen nicht gehalten hatte? Standen seine Verstocktheit und sein Stolz ihm im Weg? Konnte er sich nicht ein Mal dazu überwinden, über seinen Schatten zu springen? Ihrer beider Zukunft, ihr Lebensglück hing davon ab! Er konnte doch nicht ernsthaft wollen, dass alles so weiterlief wie jetzt, mit all den Heimlichkeiten, den beschämenden Ausflüchten und Ausreden, der immerwährenden Angst vor der Entlarvung.
    Morgen, wenn sie Fernando im Varietétheater treffen würde, sollte sie vielleicht die Sprache noch einmal auf dieses Thema bringen. Oder nein, lieber nicht. Sie würde keinen Mann anbetteln, sie zu heiraten – auch nicht, wenn er Fernando hieß. Ach, ihr würde schon etwas einfallen. Es musste ja nicht genau in diesem Moment sein. Sie gähnte schon, und mit müdem Kopf dachte es sich nicht gut. Lieber würde sie jetzt noch schnell den Brief an ihre Eltern schreiben.
    Jujú setzte sich an ihren Sekretär, holte einen Bogen Briefpapier aus der Schublade und öffnete die Kappe des Füllfederhalters. »Meine geliebten Eltern«, schrieb sie, »wie sehr ich euch vermisse!« Danach fiel ihr nichts mehr ein. Stumpfsinnig starrte sie auf das Blatt. Das Einzige, was sie wirklich beschäftigte, konnte sie nicht schreiben, und alles andere hatte sie bereits mehrfach erzählt. Nach einigen Minuten schloss Jujú den Füllfederhalter wieder. Die Tinte an der Feder war schon eingetrocknet.
    Sie konnte sich jetzt nicht auf diesen Brief konzentrieren. Die ganze Zeit schwirrten ihr Gedankenfetzen im Kopf herum, die sie ärgerlich stimmten. Wo Fernando jetzt wohl steckte? Ob er mit seiner Frau im Bett lag und ihr ein viertes Kind machte? Die Vorstellung trieb sie zur Verzweiflung. Aber nein, er hatte ihr glaubhaft versichert, dass sich im ehelichen Bett nichts mehr tat – und dass die liebe Elisabete darüber nicht unglücklich zu sein schien. Diese dumme Person, dachte Jujú, die konnte doch gar nicht würdigen, was ihr der Zufall für einen Mann geschenkt hatte. Und was war sie überhaupt, ein Eisklotz? Wie konnte man einen so begnadeten Liebhaber nur freiwillig von sich weisen, wie Elisabete es Fernando zufolge immer wieder getan hatte, so lange, bis er seine Annäherungen ganz einstellte?
    Jujú löschte das Licht auf dem Sekretär und ging in ihr Zimmer. Schlafen war schon immer eine heilsame Therapie für all ihren Kummer gewesen. In den vergangenen Monaten hatte sich ihr Pensum zwar auf ein normales Maß reduziert, aber das warme, weiche Bett verschaffte ihr noch immer ein Gefühl von Trost. Und wenn sie als letzte Handlung, bevor sie die Lampe auf dem Nachttisch ausschaltete, noch einmal einen Blick auf das Foto von sich und Fernando auf der Croisette warf, dann begleiteten sie die schönsten Träume in ihren Schlummer.
    Sie zog sich aus, schlüpfte

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