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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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für Ökonomie bestimmt mehr Sachverstand besaß als Manuel. Bei der Gelegenheit hätte sie Salazar dann auch gleich mal gefragt, wie es kam, dass sie vor einem Jahr für einen Escudo noch zwei Brötchen bekommen hatte, jetzt aber nur noch eines. Wenn er ihr das erklären konnte, und vor allem: wenn er dafür sorgte, dass ihr Geld wieder mehr wert war, dann, und nur dann, würde sie ihn vielleicht ebenso achten, wie ihr Verlobter es tat. Vorerst aber war der Mann in Luizas Augen nichts weiter als ein Klugscheißer, genau wie all die anderen Herren Minister.
    Was machte Sparen für einen Sinn, wenn das Geld sozusagen von alleine verschwand, ohne dass man sich etwas dafür gekauft hatte und nur, weil die Politiker unfähig waren? Luiza legte eifrig jede Münze für ihre Aussteuer zurück. Irgendwann würde Manuel sie ja sicher mal bitten, ihn zu heiraten. Und wenn er es nicht bald tat, dann würde sie ihm schon Beine machen. Sie würde ihm ganz einfach nicht mehr erlauben, sie an Stellen zu streicheln, die eigentlich nur ein Ehemann sehen und berühren durfte, und dann würde er garantiert spuren. Sie hätte ihm natürlich auch von der Höhe ihrer Ersparnisse erzählen können, um die Hochzeit zu beschleunigen, aber das würde sie niemals tun. Man musste sich vor Männern hüten, die es auf das Geld der Frauen abgesehen hatten. Das galt für arme Leute vielleicht sogar noch mehr als für reiche.
    Die Reichen, dachte Luiza verächtlich, die hatten sowieso merkwürdige Sorgen. Dona Juliana zum Beispiel. Die stocherte in den feinsten Delikatessen herum und aß nur krümelweise, vor lauter Angst, sie könnte dick werden. Dabei wusste doch jedes Kind, dass die Männer üppige Frauen bevorzugten. Um ihre Haare machte Dona Juliana auch immer so ein Theater. Tja, dachte Luiza, mit einem Häubchen, wie sie selber es tragen musste, stand man nie vor derartigen Problemen.
    Und das alles nur wegen eines Kerls. Neulich hatte Luiza beim Auswischen der Nachttischschublade ein Foto entdeckt, auf dem ihre saubere Herrin mit einem geschniegelten Herrn mittleren Alters zu sehen war, unter Palmen, auf irgendeiner Strandpromenade. Der Mann hatte den Arm um Dona Juliana gelegt, als wäre er ihr Ehemann. Aber das war er ganz sicher nicht, denn den hatte Luiza schon einmal gesehen, als er kurz zu Besuch nach Lissabon gekommen war. Hübscher Bursche übrigens. Wobei der auf dem Foto auch nicht zu verachten war. Darüber, dass ihre Dienstherrin offensichtlich einen Liebhaber hatte, wunderte Luiza sich nicht. Es war schließlich allgemein bekannt, dass reiche Leute weder Moral noch Gewissen hatten. Oder, um es mit denselben Worten zu sagen, die sie dem dümmlichen Kindermädchen neulich zugeflüstert hatte: Sie waren verkommen bis ins Mark. Und daraus würde sie eines Tages Profit schlagen. Sie wusste nur noch nicht genau, wie.
    Jujú saß vor ihrer Frisierkommode und kämpfte sich mit der Lockenschere durch ihr krauses Haar, um es in glänzende, weiche Wellen zu biegen. Dem Personal hatte sie heute freigegeben. Sie war viel zu großzügig. Die Dienstboten würden ihr schon ziemlich bald auf der Nase herumtanzen, wenn sie damit fortfuhr, ihnen andauernd freizugeben und ihnen die eine oder andere Münze zuzustecken. Aber sie konnte nicht anders. Seit Jujú aus Frankreich zurückgekehrt war, fühlte sie sich wie ausgewechselt. Sie wollte jeden an ihrem Glück teilhaben lassen, und da sie ja schlecht erzählen konnte, was ihr Schönes widerfahren war, tat sie es eben auf diese Weise.
    Auch ihren Sohn verwöhnte sie zu sehr. Das würde ihm nicht gut bekommen, er war jetzt schon so ein verhätscheltes Pflänzchen. Aber wenn sie ihn nur ansah, mit seinen braunen Kulleraugen und der putzigen kleinen Schnute, überkam sie augenblicklich das Bedürfnis, ihn an sich zu drücken und sein seidenweiches Haar zu küssen. Er war wirklich der hübscheste Junge, den sie je gesehen hatte – aber das dachten wahrscheinlich alle Mütter von ihren Kindern. Eines Tages wäre er ein echter Herzensbrecher, die Mädchen würden ihm in Scharen hinterherlaufen. Sofern er nicht so veranlagt war wie sein Vater … aber nein, Paulinho war ja bereits jetzt völlig hingerissen von dem dicken Busen des neuen Stubenmädchens.
    Jujú quälte sich weiter mit ihrem störrischen Haar ab, als sie im Spiegel sah, dass Paulinho sie durch den Türspalt beobachtete.
    »Komm rein, mein Liebling.«
    Paulo folgte der Aufforderung zögerlich, als erwartete er, dass es sich um eine Falle

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