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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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nicht so, wie du denkst. Der Mann hat sich nicht einfach aus dem Staub gemacht. Er ist in die USA emigriert, ohne zu wissen, dass ich schwanger war.«
    »Warum hast du ihm denn nichts gesagt? Ihn angerufen, ihm geschrieben? Amerika ist doch nicht aus der Welt. Er hätte kommen können, oder du hättest ihm folgen können, was weiß ich.«
    »Ja, was weißt du? Wenig, fürchte ich. Und von Frauen weißt du rein gar nichts.«
    Rui sah seine Tochter an, als hätte sie ihn geohrfeigt. Kannte sie ihn besser, als ihm lieb war? Aber nein, sie hatte es nur so dahingesagt. Alle Frauen gaben sich gerne geheimnisumwittert.
    »Seine Identität willst du wohl nicht preisgeben?«
    »Nein.« Oh nein, niemals, dachte Laura. Nachher kam noch einer ihrer Verwandten auf die glorreiche Idee, Jakob aufzustöbern und ihn zu etwas zu zwingen, das sein Leben gefährden konnte. Er sollte seine Ruhe haben in Amerika, vor ihr genauso wie vor den chaotischen Zuständen in Europa. Er sollte nach den schrecklichen Jahren als Exilant, ohne Rechte und ohne Chancen, endlich die Möglichkeit haben zu zeigen, was in ihm steckte. Sie wünschte ihm von ganzem Herzen, dass er seinen Weg machte, dass er in den USA glücklich würde und dass er ein einigermaßen normales Leben führen konnte – ohne ihn mit dem Wissen zu belasten, dass er eine schwangere Frau zurückgelassen hatte. Zu gegebener Zeit würde sie ihm schon mitteilen, dass er ein Kind in Portugal hatte.
    »Tja, dann …«, murmelte ihr Vater und hob resigniert die Schultern. »Du musst wissen, was du tust. Aber sag mir, wenn du irgendetwas brauchst. Geld. Du siehst aus, als wärst du schon länger nicht beim Friseur gewesen. Und eine neue Garderobe bekäme dir auch gut. Wenn das Kind da ist, meine ich – jetzt lohnt es sich ja nicht mehr.«
    Bravo, dachte Laura, nachdem ihr Vater den Raum verlassen hatte. Ihr Bruder und ihr Vater schienen sich gegen sie verschworen zu haben und gemeinsam dafür sorgen zu wollen, dass sie sich rundherum glücklich und schön fand. Genau das, was eine Frau in ihrer Lage brauchte.
     
    Das geschieht ihnen nur recht, dachte Pedro Domingues, als er am frühen Abend auf Laranjeiras eintraf. Er hatte nie richtig an Gott geglaubt, aber jetzt hatte er das Gefühl, dass es doch ein höheres Wesen im Himmel gab, das für ausgleichende Gerechtigkeit sorgte. Die süße Laura, an die er sich von früher noch gut erinnern konnte, als sie mit seinen Kindern im Garten seiner eigenen Quinta herumgetollt war, war in anderen Umständen – und einen Ehemann konnte die Familie da Costa nicht präsentieren. Na, da wird der Herr Papa ja Augen gemacht haben, dieser Dreckskerl. Und was wohl der missratene Sohn dazu gesagt haben mag?
    Pedro Domingues gab sich nicht der Illusion hin, dass die missliche Lage Lauras ihren Bruder auch nur eine Sekunde zum Nachdenken angeregt haben könnte. Die Konsequenzen seines Verhaltens musste Paulo ja nicht tragen – der Senior zahlt, das Mädchen wird versteckt, alle anderen schweigen, der Junior kann schön so weitermachen wie bisher. Und es gab wenig, was er, Pedro Domingues, dagegen hätte unternehmen können. Paulo hatte sich glattweg geweigert, seine Tochter zu heiraten. Früher hätte man sich wegen so etwas duelliert, aber heute? Er hatte nicht einmal die Familie da Costa meiden können: Ihre wirtschaftliche Macht war so stark, dass kein Weg an ihnen vorbeiging. Ah, es war zum Verzweifeln!
    Allerdings wäre er wohl kaum zu dem heutigen Fest gekommen. Doch die Nachricht von Lauras unehelicher Schwangerschaft hatte sich wie ein Lauffeuer in der Nachbarschaft verbreitet, und Pedro Domingues versprach sich ein wenig Genugtuung davon, dass er sich an der Schmach der Familie weiden konnte. Über Rui da Costas Mutter, Dona Filomena, hatte er sich eine Einladung erschmeichelt – »aber selbstverständlich sind Sie eingeladen, mein lieber Senhor Pedro, bestimmt ist Ihre Karte bei der Post verloren gegangen«. Nun saß er hier, auf der Veranda des hochherrschaftlichen Hauses, schwitzte und beobachtete die verhassten da Costas.
    Sie waren bei weitem die hübscheste Familie, die er je gesehen hatte, dazu kultiviert und reich. Ihre Verderbtheit sah man ihnen nicht an, und Pedro Domingues verspürte einen neuerlichen Anflug von Neid und Verbitterung. War es gerecht, dass Rui da Costa, der sogar etwas älter war als er selber, weder eine Glatze noch einen dicken Bauch hatte? Was hatte der Herrgott sich dabei gedacht, seine eigene geliebte Frau so

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