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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Kapitän!«
    Laura lachte. Sie merkte, dass sich schon wieder Tränen in ihre Augenwinkel geschlichen hatten. Ihr Lachen ging in ein leises Schluchzen über. »Leb wohl, António Coelho Lisboa«, flüsterte sie und warf sich in seine Arme. »Und viel Glück, Jakob Waizman.« Damit löste sie sich von ihm, drehte sich herum und ging mit schnellen Schritten davon.
    Jakob betrat das Schiff in der gebeugten Haltung eines alten Mannes. An der Reling stellte er müde seinen kleinen Koffer neben sich ab und hielt Ausschau nach Laura. Nein, sie würde ihm nicht mit einem weißen Taschentuch nachwinken, und vielleicht war es auch besser so. »Leb wohl, Laura«, murmelte er vor sich hin, als die Leinen losgemacht wurden, und »Leb wohl, Lisboa«, als die »Nea Hellas« mit einem dröhnenden Hupen in Richtung Westen fuhr.

28
    E s war die größte Farce aller Zeiten. An die hundert Leute hatte man eingeladen: Verwandtschaft von der da-Costa-Seite, den halben Carvalho-Clan sowie sämtliche Nachbarn, Freunde, Geschäftspartner und Würdenträger aus dem Douro-Tal. Mitten im Krieg gab man auf der »Quinta das Laranjeiras« ein pompöses Fest, dessen Anlass weder den Jubilaren selber noch ihren Anverwandten ein besonderer Grund zur Freude war.
    Man schrieb den 6 . Juni 1941 . Senhor und Senhora Rui da Costa feierten ihre Silberhochzeit.
    Paulo hatte diverse Telefonate zwischen seinen Eltern belauscht, und er wusste, dass seine Mutter dieses Fest unter allen Umständen zu verhindern versucht hatte. Doch sein Vater hatte sie vor vollendete Tatsachen gestellt, so dass sie, nachdem die Einladungen bereits verschickt waren, nicht mehr den Mut besessen hatte, der Feier einfach fernzubleiben. Nun war sie also da, zum ersten Mal seit zwei Jahren. Paulos Empfindungen lagen irgendwo zwischen Häme und Erleichterung. Häme, weil sein Vater sich durchgesetzt und sie, die für das Scheitern der Ehe ganz offensichtlich verantwortlich war, herbeizitiert hatte wie eine arme kleine Sünderin. Erleichterung, weil er seine Mutter, trotz allem und obwohl sie einander während seiner Jahre im Internat ein wenig fremd geworden waren, sehr liebte und sich freute, sie wiederzusehen.
    Dasselbe konnte Paulo von seiner Schwester nicht behaupten. Laura war schon immer merkwürdig gewesen, aber in den letzten Jahren hatte sich ihre eigenbrötlerische Art noch stärker herausgebildet. Sie tat alle möglichen Dinge, die anständige Mädchen nicht zu tun hatten, und war resistent gegen jede Art von gut gemeinter Einmischung. Sie lebte allein, schlug sich als Künstlerin durch und hing irgendwelchen sehr abstrusen politischen Ideen an. Und wie zum Beweis dafür, was sie für ein Flittchen war, war sie nun schwanger. Unverheiratet natürlich. Dass sie die Stirn hatte, hier zu erscheinen, verlangte Paulo einen gewissen Respekt ab. Dennoch wäre es ihm lieber gewesen, sie hätte sich und der Familie diese Blamage erspart.
    Sie sah schrecklich aus. Ihr Bauch drohte jeden Augenblick zu platzen, und ihre sonst so makellose Haut war durch unzählige Pickel entstellt. Am Kinn hatte sie einige Pusteln aufgekratzt, und sie hatte nicht einmal so viel Stolz, diese mit Schminke abzudecken. Sie trug die Pickel genau wie den Bauch vor sich her wie eine Auszeichnung. Es war widerlich.
    »Du siehst zum Fürchten aus, Schwesterherz.«
    »Danke, Paulinho, für diese aufbauenden Worte.«
    »Ich heiße Paulo, merk dir das,
Laurinha

    »Nun, du benimmst dich aber nicht gerade wie ein erwachsener Paulo. Mehr wie ein zurückgebliebenes Paulchen.«
    »Zumindest bin ich nicht so zurückgeblieben wie du. Du warst ja noch zu blöd, dir kein Kind andrehen zu lassen.«
    »Nach allem, was ich gehört habe, hast du selber ein paar Mädchen in diese Situation gebracht.«
    »Sie wollten es ja unbedingt. Ich kann nichts dafür, wenn mir alle Weiber hinterherrennen.«
    Paulo sah tatsächlich sehr gut aus, dachte Laura. Sie konnte sich gut vorstellen, dass die Mädchen verrückt nach ihm waren, nach seinen großen Augen mit den langen Wimpern, nach seinem seidigen Haar, den vollen Lippen, seinem gutgebauten Körper. Aber zum Kinderzeugen brauchte es schließlich mehr als ein verliebtes Mädchen.
    »Ich glaube nicht, dass die jeweiligen Mütter sehr viel anders aussahen als ich, während sie deine Brut austrugen. Aber wahrscheinlich hast du keine davon mehr gesehen, nachdem sie dir von ihrem Unglück erzählt haben, richtig?«
    »Richtig. Diese Mädchen hatten im Gegensatz zu dir noch so viel

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