So weit der Wind uns trägt
hatte.
»Wir hoffen, dass er, wenn er sich erst die Hörner abgestoßen hat, in unser Geschäft mit einsteigt«, ergänzte Adalberto da Costa. »Unsere anderen beiden Söhne zeigten leider keinerlei Interesse. Einer ist Professor für Altertumskunde, der andere ist Offizier bei der Marine.«
»Komisch, dass sie alle so ganz und gar unterschiedliche Begabungen haben«, stellte Mariana vorlaut fest.
»Ja, das ist richtig«, erwiderte Dona Filomena. »Wir führen das darauf zurück, dass sie sich nicht gegenseitig Konkurrenz machen wollten. Als Kinder ähnelten sie einander nämlich sehr.«
»Im Gegensatz zu uns.« Mariana wich den Blicken von Beatriz und Jujú aus, die es, wie sie wusste, nicht gern mochten, wenn über sie gesprochen wurde. »Keine von uns sieht der anderen ähnlich, und in unseren Charakteren und Interessen unterscheiden wir uns alle vollkommen voneinander.«
Dona Filomena lachte. »Das wiederum ist auch komisch.«
Bevor Dona Clementina dazu kam, sich über die Bedeutung dieser letzten Aussage größere Gedanken zu machen – verbarg sich dahinter etwa eine infame Beleidigung? –, wurde die Tür des Speisezimmers aufgerissen. Fernando Abrantes stürzte herein.
»Patrão, kommen Sie schnell! Der Wagen ist verschwunden!«
José Carvalho sprang von seinem Stuhl auf. Er lief sofort zur Tür, legte den Arm in einer väterlichen Geste um Fernando und führte diesen nach draußen in den Flur.
»Was fällt dir ein, so hier hereinzuplatzen? Wir haben wichtige Gäste.« In seinem Ton war plötzlich gar nichts Väterliches mehr. José Carvalho war außer sich vor Empörung. Sein Gesicht nahm eine gefährlich rote Farbe an. Wie sollte Adalberto da Costa ihn als Handelspartner ernst nehmen, wenn er, José, nicht einmal in der Lage war, sein eigenes Personal unter Kontrolle zu bekommen?
»Aber ich dachte …«
»Du hast offenbar überhaupt nicht gedacht. Das kannst du jetzt nachholen. Denk nach, wer den Wagen genommen haben könnte, wo er sich befinden könnte. Oder geh zur Guarda und erstatte Anzeige. Der Silver Ghost ist in der ganzen Gegend bekannt wie ein bunter Hund. Wenn er gestohlen worden sein sollte, kann der Dieb nicht weit damit kommen. Und jetzt verschwinde!«
Erst durch die schroffen Worte kam Fernando wieder zur Besinnung. Als er gesehen hatte, dass das Automobil nicht mehr an seinem Platz stand, war er in Panik verfallen. Spontan war er zum Haupthaus gerannt, hatte das Dienstmädchen an der Haustür beiseitegeschubst und war atemlos zum Speisezimmer gelaufen. Oh Gott! Wie konnte er nur? So etwas war ihm nie zuvor passiert, ihm, Fernando Abrantes, dem Inbegriff der Selbstbeherrschung und des rationalen Denkens! Er hatte sich zum Idioten gemacht, und das vor aller Augen. Er stöhnte innerlich vor Scham auf.
»Was für ein ungehobelter Kerl war denn das?«, fragte Dona Filomena pikiert.
»Unser Verwalter.« José Carvalho verzog keine Miene. Er hatte nicht vor, sich durch Entschuldigungen noch weiter in die Defensive zu bringen.
»So einen jungen Verwalter haben Sie?«, wunderte sich Senhor Adalberto. »Mir scheint, er ist dieser Verantwortung noch nicht ganz gewachsen …«
Das schien Jujú ebenfalls so. Was für eine Blamage! Doch etwas anderes beunruhigte sie noch viel mehr als der ungehörige Auftritt. Als Fernando durch die Tür gerannt kam, sah sie ihn plötzlich mit ganz anderen Augen. Als hätte eine unsichtbare Hand einen Schalter in ihrem Gehirn umgelegt, erschien ihr Fernando mit einem Mal gar nicht mehr wie der, den sie kannte und liebte. Nicht ihr kluger, vernünftiger Freund war das gewesen, sondern ein verunsicherter Untergebener. Nicht ihr attraktiver Geliebter war im Speisezimmer erschienen, sondern ein derber Bauer. Mit dem Mann, der ihr bei ihren heimlichen Treffen auf den Feldern oder im Wald immer wie ein Ausbund an Virilität, Kraft, Schönheit und Intelligenz vorkam, hatte der Bursche vorhin nicht die geringste Ähnlichkeit.
Wie konnte das sein? Lag es an der Umgebung, an den feinen Teppichen und der festlich gedeckten Tafel, dass Fernando hier so fremd wirkte? Warum war ihr nie zuvor aufgefallen, wie bäurisch er sich kleidete und gab? An seinem Gürtel hatte eine Trinkkelle aus Kork gehangen, wie sie die Arbeiter zum Schöpfen von Brunnenwasser benutzten. Sein schwarzer Filzhut war staubig und sein Gesicht von unvornehmer Bräune gewesen, seine an den Knien ausgebeulte Hose verschmutzt.
Das Tischgespräch drehte sich inzwischen um Rosengärten, so viel
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