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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Konditionen einließ. Doch sie äußerte die Frage nicht. Stattdessen entfuhr ihr ein unbedachter Seufzer: »Wir werden das Bild auch brauchen.«
    Fernando sah sie fragend an.
    Es nützte nichts. Jujú würde nun doch schon mit der Sprache herausrücken müssen. »Wir … werden eine Weile voneinander getrennt sein. Ich soll für mindestens ein Jahr nach Paris gehen.«
    »Oh.«
    »Ja, oh.«
    »Das kannst du nicht machen. Sollen all die Jahre meiner Plackerei umsonst gewesen sein?«
    »Fernando – ich habe keine andere Wahl. Dona Clementina besteht darauf. Meine Großtante und Namenspatronin, Dona Juliana, lebt in Paris und wird mich in die dortige Gesellschaft einführen.«
    »Damit du den erstbesten schnöseligen Franzosen heiraten kannst!«
    »Das ist wohl die Idee, die dahintersteckt, ja.« Jujú war selber nicht sehr angetan von der Vorstellung, in der fremden Stadt herumgereicht und angepriesen zu werden wie eine wertvolle, aber leider verderbliche Ware. Auch die lange Trennung von Fernando fürchtete sie. Andererseits freute sie sich auf das bevorstehende Abenteuer. Sie war jetzt zwanzig Jahre alt und hatte für ihren Geschmack eindeutig zu wenig von der Welt gesehen. Ihre bisherigen Reisen in die europäischen Großstädte waren viel zu kurz gewesen, um auch nur eine Ahnung von dem Leben dort zu bekommen.
    »Aber du gehörst zu mir!«
    »Und das wird ewig so bleiben. Hast du so wenig Vertrauen zu mir, dass du glaubst, ich könne dich innerhalb eines Jahres vergessen?«
    Fernando zuckte mit den Schultern. Er war sich vollkommen im Klaren darüber, dass eine junge Frau in einer Stadt wie Paris der einen oder anderen Versuchung erliegen musste. Wenn es kein Mann war, dann das kulturelle Leben oder die luxuriösen Geschäfte auf den Prachtboulevards. Und was hatte er ihr dagegen schon zu bieten? Konnte ein Olivenhain etwa mit den manikürten Parks der französischen Hauptstadt konkurrieren, über die er in einem Reiseführer gelesen hatte? Die weiß-blauen Alentejo-Häuschen mit den pompösen Stadtvillen? Die sengende Sommersonne mit dem frischeren, belebenden Klima im Norden? Der Duft der Wildblumen auf den Frühlingswiesen mit den kostbaren Essenzen und Wässerchen der feinen Pariser Parfümerien?
    »Ich werde Afonso absagen.«
    »Herrgott, Fernando! Jetzt haben wir so lange gewartet, da kommt es auf ein weiteres Jahr ja wohl auch nicht an.«
    »Genau. Deshalb werde ich das Geld, das ich für die Fotografie ausgegeben hätte, zurücklegen. Wenn du zurückkehrst, bin ich eine gute Partie, verlass dich drauf. Wenn ich dann nicht mit einer anderen verheiratet bin.«
    Jujú erschrak angesichts des Zorns, der aus Fernandos Augen blitzte. Sie stand auf, richtete ihr Kleid und ihr Haar und zog an der Decke, auf der Fernando noch saß. Er verlagerte sein Gewicht so, dass sie die Decke aufheben und ausschütteln konnte. Das tat Jujú mit einer solchen Vehemenz, dass Fernando Grashalme und kleine Steinchen ins Gesicht flogen. Er nahm es mit unbewegter Miene hin.
    »Ich muss jetzt gehen. Wir bekommen Besuch. Und du brauchst anscheinend Gelegenheit, um einmal gründlich über dein Verhalten nachzudenken.« Manchmal kam es Jujú fast so vor, als klänge sie wie ihre alte Gouvernante, Dona Ivone. Sie hasste sich dafür.
     
    Ihre Gäste waren unterhaltsame Zeitgenossen. Es waren Winzer aus der Nähe von Porto, mit denen José Carvalho einen Exklusivvertrag über die Lieferung von Kork abschließen wollte. Der Winzer, Adalberto da Costa, wollte eine eigene Korkenmanufaktur errichten. Die Weinberge allein schienen ihn nicht mehr zu befriedigen. Er sah allerdings nicht wie jemand aus, der von permanenter Unzufriedenheit befallen war: Er war sehr dick, hatte gerötete Wangen und eine Halbglatze, von der er alle paar Minuten die Schweißperlen abwischen musste. Er lachte sehr laut und sehr viel. Seine Frau, Dona Filomena, war eine untersetzte Person mit üppigem Busen und einem für ihre ausufernden Formen zu klein geratenen Gesichtchen.
    Nachdem die Männer das Geschäftliche besprochen hatten, gesellten sie sich zu den Damen im Salon. Dona Filomena bestaunte gerade den Inhalt der Vitrinen. Die feinen Porzellan-Figurinen versetzten sie ebenso in Entzücken wie die Kristall-Vasen oder die manuelinischen Silberleuchter. »Dona Clementina, welche Schätze Sie hier horten!«, rief sie aus.
    »Das muss ich auch sagen«, warf ihr Mann ein. »Ihre Töchter sind einfach zauberhaft!« Er sah kurz zu Jujú hinüber und machte damit

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