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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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als junger Mann hätte er sich nicht mit solchen Dingen herumschlagen wollen! Er wollte nicht mit Kaufangeboten drangsaliert werden. Er hatte nein gesagt, und dabei blieb es. Er würde das Stück Land, das Jujú ihm vermacht hatte, nicht verkaufen, basta! Wieso alle ihn bedrängten, es doch zu tun, entzog sich seinem Verständnis. Hatte er, nur weil er alt war, nicht mehr das Recht auf eine eigene Meinung? Wenn Elisabete, seine Kinder und seine Enkel es mit aller Gewalt loswerden wollten, weil die angebotene Verkaufssumme weit über dem lag, was er normalerweise damit erzielt hätte, dann mussten sie eben warten, bis er tot war. Vorher würde er es nicht weggeben, und wenn ihm dieser Fuzzi eine Million dafür böte! Fernando merkte, wie ihm allein beim Gedanken an Ricardo da Costa, den missratenen Enkel von Jujú, den er nie persönlich kennengelernt hatte, das Herz in der Brust heftig pochte. Der Knabe würde ihn noch ins Grab bringen mit seiner Aufdringlichkeit. Aber damit wäre bald Schluss: Heute wollte er seinen Anwalt anweisen, eine Verfügung durchzusetzen, wonach es Ricardo da Costa nicht mehr erlaubt wäre, sich mit seinem idiotischen Kaufangebot in irgendeiner Form an ihn, Fernando Abrantes, zu wenden. Nicht schriftlich, nicht mündlich, nicht im direkten Gespräch und auch nicht über Kontaktpersonen. Nie wieder!
     
    Zu demselben Zeitpunkt, zu dem Fernando bei seinem Anwalt saß und diesen als Agent der Gegenseite entlarvte, weil er ihm ebenfalls zum Verkauf riet, befand Ricardo sich keine drei Blocks davon entfernt in einem Straßencafé und dachte, wie fast immer in letzter Zeit, über die verfahrene Situation nach. Warum, verflucht noch mal, wollte der Tattergreis nicht verkaufen? Einen so hohen Preis würde er mit dem nutzlosen Land nie wieder erzielen. Und wenn er aus sentimentalen Gründen daran hing, warum sah man ihn dann nie dort? Ricardo passierte das fragliche Stück Land mehrmals täglich, denn es lag gleich neben dem einzigen befahrbaren Feldweg nach Belo Horizonte, doch er hatte dort nie jemanden entdeckt. Weder hatte je irgendein Opi in stiller Andacht unter dem Baum gehockt noch ein Wagen oder ein anderes Vehikel am Wegesrand gestanden.
    Ricardo hatte seine Mutter mit weiteren Fragen zu dem Mann gelöchert, aber sie war ihm keine Hilfe. »Nein, ich habe ihn nie persönlich kennengelernt, zur Testamentseröffnung hat er einen Bevollmächtigten geschickt«, »Nein, ich habe keine Ahnung, warum deine Großmutter ihm das Land vermacht hat, und ich finde, es geht uns auch nichts an«, »Nein, ich bezweifle, dass Paulo mehr darüber weiß«.
    Darin täuschte sie sich gewaltig. Doch selbst wenn es anders gewesen wäre, hätte Ricardo sich kaum auf den Weg zu seinem Onkel gemacht, um diesen nach Abrantes auszuquetschen: Der Kontakt zwischen ihnen war vor vielen Jahren abgerissen. Und es hätte ihm auch nichts gebracht. Paulo behielt das Geheimnis für sich und würde es, solange er sich keinen persönlichen Gewinn davon versprach, niemals preisgeben. In diesem Fall verhielt es sich ja sogar so, dass das geheime Wissen um die wahren Verstrickungen ihm einen ungeheuren Lustgewinn verschaffte. Paulo da Costa hätte sich totlachen können über diese Ironie des Schicksals, die Enkel und Großvater zu Feinden machte.
     
    Die einzige Chance, die er noch hatte, überlegte Ricardo nun, war, den alten Sack bei seiner Pilotenehre zu packen. Ricardo hatte ein wenig recherchiert und herausgefunden, dass Abrantes im Ersten Weltkrieg als einer der ersten Portugiesen an militärischen Flugeinsätzen teilgenommen hatte. Er war später zu einem hochdekorierten Helden der militärischen Luftfahrt Portugals aufgestiegen, war General geworden und hatte sich überhaupt nur positiv hervorgetan. Tolle Karriere, tolle Familie, toller Typ – er war Ricardo von A bis Z unsympathisch. Wieder einer von diesen Kerlen, die sich unter Salazar hochgeschleimt hatten. Aber was nützte es?
    Ricardo riss ein Stück von der Papiertischdecke ab, holte einen Kugelschreiber aus seiner Brusttasche und machte sich an den Entwurf eines Briefes, den er dem Kerl schreiben würde. Er würde kein Pilotenklischee auslassen, würde mit pathetischem Kriegs- und Helden- und Ruhmesvokabular nur so um sich werfen, würde den Greis zu Tränen rühren mit seinem Plan, eine Flugschule zu eröffnen und so den tapfersten, klügsten und stärksten Männern des Landes einen Lebensinhalt zu geben, für den es sich zu sterben lohnte. Oder so ähnlich. Das

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