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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Vielleicht sollte sie doch Cristianos Drängen nachgeben?
    Als der schöne Held im Fernsehen gerade seine Maid auf die Arme nahm, deren Kleider an strategisch günstigen Stellen zerfetzt waren, obwohl sie natürlich gar nicht in das Kampfgeschehen verwickelt gewesen war, klingelte das Telefon erneut. Okay, dachte Marisa. Das Beste hatte sie gesehen. Und es konnte nicht schaden, mal den Hintern aus dem Sessel herauszubewegen. Es bestand immerhin die Möglichkeit, dass es gar nicht Cristiano war. Wenn nun Ricardo sie anrief? Vielleicht steckte er gerade in Lissabon, womöglich schon seit Tagen – und sie hatte sich der Gelegenheit beraubt, ein paar nette Stunden mit ihm zu verbringen, weil sie träge und sich selbst bemitleidend vor der Flimmerkiste gehockt und sich mit ungesunden Sachen vollgestopft hatte. Urplötzlich überkam sie eine Energie, wie Marisa sie seit Wochen nicht gespürt hatte. Sie lief ans Telefon und rief freudig erregt: »Ja?«
    »Marisa, Schatz, ich vermisse dich so sehr. Ich stehe unten, in der Telefonzelle an der Ecke – lässt du mich rein?«, hörte sie Cristianos quengelige Stimme und stöhnte leise auf.
     
    Wann, bitte schön, er ihnen denn Enkelkinder präsentieren wolle, hatte Elsa gefragt, und Ricardo war um eine Antwort verlegen gewesen. Er hatte herumgedruckst und sich nicht so recht äußern wollen zu einer »Braut«, die keine sein wollte. Erst hinterher war ihm aufgefallen, dass er Elsa nie zu Enkeln würde verhelfen können.
    Ob sie denn, bitte schön, die Glückliche einmal kennenlernen dürften, hatte Elsa gefragt und Ricardo damit wiederum in eine blöde Lage gebracht. Er hatte den beiden aufgetischt, er ziehe demnächst mit der Frau seiner Träume zusammen. Doch die Annahme, dass sie während ihres kurzen Portugalaufenthalts schon nicht so genau nachforschen würden, erwies sich als falsch. Elsa quetschte ihn nach Marisa aus, als müsse sie sicherstellen, dass der Thronfolger die richtige Frau wählte. Ricardo erzählte wahrheitsgemäß, was Marisa machte, wie sie aussah, aus welchem »Stall« sie kam. Er beantwortete noch die pingeligste Frage Elsas, und er bemühte sich um größtmögliche Geduld und Höflichkeit. Wenn sie nicht wie ein Häufchen Elend im Rollstuhl gesessen hätte, wäre Ricardos Reaktion anders ausgefallen.
    Das Einzige, womit er nicht aufwarten konnte, war eine Marisa in Fleisch und Blut. Wenn er sie seinem Vater und dessen Frau vorstellte, dann musste ihr das ja vorkommen wie der erste Besuch bei den Schwiegereltern in spe – und wie der Gipfel an Spießigkeit. Außerdem hätte Elsa mit ihrer direkten Art in Sekundenschnelle herausgefunden, dass es sich ganz und gar nicht so verhielt, wie Ricardo es geschildert hatte.
    Er war sehr erleichtert, als die beiden endlich abreisten.
    Dass all seine Ausflüchte und Märchen sie nicht hatten täuschen können, merkte er erst, als er zusammen mit Jack Elsas Rollstuhl in den Zug hievte, mit dem sie nach Madrid fuhren. »Hör zu, Rick«, raunte Elsa ihm zu, »sie scheint eine gute Wahl zu sein. Du musst sie dir schnappen, sonst tut es ein anderer. Du wirst demnächst dreißig – worauf, bitte schön, wartest du?«
    Tja, fragte er sich jetzt, worauf eigentlich? Dass sie »Ja!« rief, bevor er sie gefragt hatte? Dass sie seine Gedanken las? Dass sie ihn mal wieder auf Belo Horizonte besuchen kam, ohne dass er sie ausdrücklich dazu einlud? Dass sie so lange auf ihn wartete, bis er endlich Zeit und Geld genug hatte, sich ihr als geeigneter Bräutigam zu präsentieren? Das konnte noch dauern.
    Wahrscheinlich hatte er sowieso schon alles vermasselt. Sie hatten sich zuletzt vor einem halben Jahr gesehen, im Herbst. Da war sie hierhergekommen, hatte sich enttäuscht umgeschaut und ihn, das hatte Ricardo deutlich in ihren Augen gesehen, zum Versager abgestempelt. Seitdem hatte er ein paarmal bei ihr angerufen. Die Gespräche waren frustrierend kurz gewesen. Sie hatten sich nichts zu sagen. In den letzten Wochen hatte er es noch einige Male probiert, aber sie war nie ans Telefon gegangen.
    Manchmal beneidete er sie um das Leben in der Stadt, ihren großen Freundeskreis, ihr geselliges Wesen, ihre Ausgehfreude. In solchen Augenblicken verspürte er enorme Lust, alles hinzuschmeißen. Sich nach Lissabon aufzumachen, sich einen ganz normalen Job zu suchen, sich mit ganz normalen Leuten herumzutreiben, in einer normalen Wohnung zu leben und vor allem wie ein ganz normaler Mann eine Freundin zu haben. Die allerdings sollte

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