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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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hatte, keusch blieb. Und der einzige andere Mann, mit dem sie sich Sex hätte vorstellen können, machte sich rar.
    Dem Abend, an dem er sie so schick ausgeführt hatte, waren keine weiteren dieser Art gefolgt. Schade, schade, schade. Es hatte so vielversprechend angefangen. Sie waren nach einem ausgezeichneten Essen und einem extrem prickelnden Gespräch, das weit über reines Flirten hinausging, in einen Nachtclub weitergezogen, beschwingt, beschwipst, lachend und Arm in Arm. Später hatten sie sich geküsst, im Eingang des Hauses, in dem Marisas Wohnung lag. Er hatte sich an sie gepresst und sie dabei fest gegen die Wand gedrückt. Es war ein atemberaubender Kuss gewesen, und Marisa hatte gewusst, dass sie ihn nicht mehr extra heraufbitten musste. Es wäre eh passiert – wenn nicht in diesem Moment ein anderer Hausbewohner im Eingang aufgetaucht wäre, der, ebenfalls ein bisschen alkoholisiert, fluchend nach seinen Schlüsseln suchte. Unvermittelt hatte Ricardo von ihr abgelassen, sich schroff verabschiedet und war davongegangen. Damals hätte sie heulen können vor Enttäuschung und vor unerfüllter Lust. Vielleicht hatte sie es sogar getan, aber sie erinnerte sich nicht mehr daran, wie sie in ihre Wohnung und ins Bett gekommen war.
    Jetzt, ein halbes Jahr nach diesem Abend, fand Marisa, dass Ricardo wahrscheinlich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Sie passten überhaupt nicht zusammen. Was nützte es, wenn sie sich im Bett gut vertrugen, im Alltag aber waren wie Feuer und Wasser? Selbst der beste Sex litt irgendwann unter solchen erschwerten Bedingungen. Außerdem glaubte sie nicht, dass Ricardo der Typ Mann war, der sich auf eine reine Bettgeschichte einließ. Der wollte alles oder nichts – und da blieb in ihrem Fall wohl nur Letzteres. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, mit einem Mann wie Ricardo liiert zu sein.
    Nach dem unschönen Ausklang jenes Abends hatte Marisa das Gefühl gehabt, diese Erinnerung könne man nicht einfach so im Raum stehen lassen. Ihm schien es genauso ergangen zu sein, denn ein paar Wochen später hatte er sie angerufen und eine »alte Freundschaft« heraufbeschworen, die in dieser Form nie existiert hatte. Er wollte ihrer letzten Begegnung den Stachel nehmen – und sie war ihm dankbar dafür. Also hatte sie seine Einladung zu einem Rundflug angenommen und war in den Alentejo gefahren. Das war im vergangenen Herbst gewesen. Er hatte mit ihr den Rundflug gemacht, der wunderschön war, ihr dann aber mit seinen Kunststückchen eine Heidenangst eingejagt. Er hatte sie stolz über den Flugplatz geführt, hatte ihr die Funktionsweise eines Flugzeugs erklärt und ihr von seinen Plänen und Zukunftsvisionen erzählt. Und sie hatte sich zu Tode gelangweilt.
    Nichts von seinen Träumen deckte sich mit dem, was Marisa für spannend oder schön oder erstrebenswert hielt. Ricardo lebte in einer Männerwelt, die Marisa für immer verschlossen bleiben würde. Stahl und Maschinen und Schmieröl und Motorenlärm – das schien ihn zu begeistern. Da gab es nichts Weiches, Warmes, Buntes, Schmeichelndes. Seine »Flugschule«, die anscheinend trotz diverser Anlaufschwierigkeiten ganz gut lief, bestand aus nichts weiter als einer schäbigen Baracke, die am Rand der Piste stand und von wo aus er auch den Funkkontakt zu jenen Flugschülern hielt, die bereits allein fliegen durften. Einen Tower gab es ebenso wenig wie einen Hangar. Die kleine Cessna blieb im Freien stehen und wurde über Nacht oder bei aufziehenden Unwettern einfach festgezurrt. Es war alles reichlich primitiv, doch Ricardo schien das nicht zu stören.
    Marisa hatte ihn gefragt, ob er unter den gegebenen Umständen überhaupt vollwertigen Unterricht geben könne, und er hatte verständnislos dreingeschaut. »Warum sollte er nicht vollwertig sein? Die Leute lernen die Theorie, hier, in der Baracke, sie müssen ein Funksprechzeugnis haben, die Prüfung dafür legen sie bei der entsprechenden Behörde in Lissabon ab. Ansonsten wird geflogen. Und das lernen sie bei mir besser als irgendwo sonst. Zum Tanken fliegen wir nach Évora oder Lissabon, was ohnehin im Übungsplan vorgesehen ist. Bisher haben alle meine Schüler ihre Lizenz erhalten.« Dass das bislang nur drei Männer waren, hatte er nicht erwähnt.
    Trotzdem erschien dieses ganze Unterfangen Marisa nicht sehr vertrauenerweckend. Es wirkte laienhaft. Wenn wenigstens die Baracke ordentlicher ausgesehen oder wenn es eine Sekretärin oder sonst irgendwelche

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