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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Aus ihrem Zimmer habe ich schon Geräusche gehört. Mein Gott, die Ärmsten, sie mussten ja bis zum Schluss ausharren. Tja, und was mit der lieben Beatriz ist, weiß ich auch nicht. Sie ist ja noch vor uns gegangen, und sehr langes Schlafen ist gar nicht ihre Art.«
    »Sie hat bestimmt nur einen Kaffee in der Küche getrunken und sich dann gleich in die Kirche fahren lassen«, mutmaßte Jujú. »Es ist Sonntag, da verpasst sie nie die Messe.«
    »Nanu, seit wann ist Beatriz so religiös? Früher hat sie immer auf die Pfaffen geschimpft.«
    Jujú wusste, seit wann Beatriz regelmäßig die Kirche besuchte, aber sie würde es Isabel nicht sagen. Die würde ihr Wissen nur wieder als Waffe verwenden, wie sie es immer tat. Der Sinneswandel hatte Beatriz ziemlich genau an jenem Tag ereilt, als ihr geliebter João sich mit Deolinda vermählt hatte. Seitdem nutzte sie jede Gelegenheit, den Abtrünnigen mit strafenden Blicken zu verfolgen – und strafte dabei doch nur sich selber.
    Isabel wartete keine Antwort von Jujú ab. »Nun ja, an ihrer Stelle würde ich mich auch eher Christus zuwenden. Bei allen anderen Männern hat sie sowieso keine Chance.«
    »Du bist ekelhaft wie eh und je, Isabel. Der arme Raimundo ist zu bemitleiden.«
    »Der ›arme Raimundo‹«, mischte derselbe sich nun ein, »hat es eilig und deswegen gar keine Lust, sich dieses weibische Gezänk anzuhören. Mach schon, Isabel, wir müssen aufbrechen.«
    Isabel stopfte sich ziemlich unelegant den Rest ihres Gebäcks in den Mund, stand auf und ging kauend zu Jujú. Sie schluckte einmal schwer, bevor sie sprechen konnte. »Nichts für ungut, meine Hübsche. Grüß die anderen von uns. Adeus.« Damit beugte sie sich herab und drückte ihrer Schwester zwei Küsschen auf die Wangen.
    »Adeus«, rief Jujú den beiden nach, die bereits im Laufschritt den Raum verließen.
    Isabel ist wirklich ein abscheuliches Wesen, dachte Jujú. Aber genau diese Abscheulichkeit hatte ihren Morgen gerettet. Alles war wie immer. Alles war ganz normal. Die Welt hatte nicht aufgehört, sich zu drehen, nur weil sie sich einen kleinen Fehltritt erlaubt hatte. Schlagartig bekam Jujú Appetit. Sie nahm sich eine Brioche aus dem Korb, brach ein großes Stück davon ab, bestrich es dick mit Butter und biss herzhaft hinein.
    Als wenig später ihre Eltern am Frühstückstisch erschienen, war Jujús Selbstachtung schon wieder so weit hergestellt, dass sie ihnen offen in die Augen blicken konnte. Und was sie darin sah, beruhigte sie. Keine Vorwürfe, kein Tadel, nicht einmal Mitleid – wenn überhaupt, dann sprach aus den Gesichtern ihrer Eltern höchstens die Verlegenheit über ihr eigenes Verhalten. Sie hatten sehr ausschweifend gefeiert, aber Jujú war wirklich die Letzte, die es ihnen verübeln würde.
    »Guten Morgen, Juliana. Wie geht es dir? Du bist gestern Abend so plötzlich verschwunden – ist alles in Ordnung?« Dona Clementina versuchte anscheinend, von sich und ihren rotgeränderten Augen abzulenken.
    »Danke, Mãe, mir geht es gut. Mir war nur gestern Abend auf einmal etwas unwohl, so dass ich mich nicht mehr von Ihnen und den Gästen verabschieden konnte. Tut mir leid.«
    »Schon gut, meine Kleine.« José Carvalho wirkte erleichtert.
    Kurz fragte Jujú sich, welche blamablen Dinge ihre Eltern sich wohl geleistet hatten. Im Gegensatz zu dem, was sie erlebt hatte, konnte es nichts Schwerwiegendes sein.
    Mariana sah Jujú erst gegen Mittag. Sie kam aus der
aldeia
zurück, zu Fuß und mit rotem Kopf. Wahrscheinlich hatte auch sie die Messe besucht, dachte Jujú, und sich anschließend zu einem Spaziergang aufgerafft. Jujú ging ihr in der Halle entgegen.
    »Mariana, ich möchte mich entschuldigen. Du weißt schon, wegen gestern. Ich habe dir die ganze Freude verdorben, und das an deinem Verlobungstag.«
    »Ja, das hast du.« Mariana hängte ihren Schal auf einen Garderobenhaken und knöpfte mit mürrischem Gesichtsausdruck ihren Mantel auf. »Aber viel schlimmer ist, was du bei Fernando angerichtet hast.«
    »Wenn er auch zur Unzeit hier aufkreuzt …«
    »Ich hatte ihn eingeladen. Er hat es nicht eher geschafft. Es ist ein Wunder, dass er überhaupt gekommen ist. Und dann das.«
    »Ach du liebes bisschen, Mariana, nun sei nicht so streng. Er war dein Gast, nicht meiner. Mir ging es nicht gut, wie ja wohl alle bemerkt haben dürften. Aber ich bin sicher, du hast dich sehr gut um unseren ehemaligen Verwalter gekümmert und dich glänzend mit ihm unterhalten.«
    »Ich hatte ihn

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