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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Kuchenkrümel auf der Tischplatte zusammenscharren. Ah, sie konnte es kaum erwarten!
    »Ja, das gefällt dir, was? Deinem freudig erregten Gesichtsausdruck entnehme ich, dass dir mein Auto zusagt?« Mariana sah Jujú um Lob heischend an. Sie waren auf dem Bahnhofsvorplatz angekommen, ohne dass Jujú es bemerkt hatte. Der Gepäckträger war ebenfalls schon dort und wartete ungeduldig darauf, die Koffer in dem Wagen verstauen und sein Trinkgeld entgegennehmen zu können.
    »Oh, das ist deines? Phantastisch! Und du fährst wirklich selbst?«
    »Das hättest du nie für möglich gehalten, oder? Ja, ich fahre selbst, allerdings nicht so gut wie Beatriz. Sie hat es mir beigebracht.«
    »Passen wir denn alle dort hinein?«
    »Zur Not legen wir die Koffer auf die Rückbank, und die Kinder setzen sich darauf.«
    Ihre Kinder, die sofort hellhörig geworden waren, schienen von dem Plan begeistert zu sein. Nach längerem Beladen und Rangieren waren sie schließlich zur Abfahrt bereit. Mariana fuhr ruckhaft an, überfuhr beinahe einen Passanten und raste dann mit Vollgas über die buckligen Straßen, die Eisenbahngleise und endlich über die ungepflasterten Wege des Umlandes. Während die Kinder vor Freude kreischten, wenn sie mit den Köpfen fast an das Dach stießen, stand Jujú Todesängste aus. Ihr Verdacht, Mariana könne gar nicht wissen, wo sich das Bremspedal befand, erwies sich jedoch als unbegründet. Vor Belo Horizonte kam der Wagen so abrupt zum Stehen, dass Jujú fast durch die Windschutzscheibe geflogen wäre und die Kinder auf der Rückbank durcheinanderpurzelten. Sie lachten laut. Nur Paulinho verzog das Gesicht, als würde er jeden Moment wieder losheulen.
     
    Laura verachtete ihren kleinen Bruder mit derselben Inbrunst, mit der sie Belo Horizonte liebte. Sie fuhren einmal im Jahr hierher, und von Jahr zu Jahr sehnte sie diese Besuche mehr herbei. Ihre
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Clementina und ihr
avô
José waren viel netter als ihre Großeltern Filomena und Adalberto. Sie steckten ihr Süßigkeiten zu, wenn Mamã nicht hinsah, hatten jedes Mal hübsche Geschenke für sie und ließen sie mit den Hunden spielen, sooft sie wollte. Laura ahnte, dass sie, wenn sie ständig auf Belo Horizonte gelebt hätte, wahrscheinlich nicht halb so sehr verwöhnt worden wäre – dennoch träumte sie manchmal davon, wie es wäre, für immer hierzubleiben.
Tia
Mariana und
tio
Octávio brachten ihr mehr Aufmerksamkeit entgegen als ihre eigenen Eltern, und ihre Cousinen waren ihr viel näher als ihr unausstehlicher Bruder. Vor
tia
Beatriz hatte sie zwar Angst, aber von der bekam man ja nicht viel zu sehen, denn die mied die Gesellschaft von Kindern.
    Und dann das Haus! Belo Horizonte war immerzu erfüllt von Gelächter und von herrlichen Düften. Das Zimmer, das sie mit Paulinho teilen musste, war hier nie so kalt und klamm, wie ihr Zimmer daheim auf Laranjeiras ihr manchmal erschien, und die Einrichtung gefiel ihr ebenfalls viel besser. Ein richtiges Mädchenzimmer, mit rosafarbenen Vorhängen und Bettdecken, mit niedlichen Spitzendeckchen und -kissen, vollgestopft mit Puppen und Stofftieren und Bilderbüchern. Ihr Zimmer zu Hause war viel vornehmer – und viel karger. »Ich will nicht, dass die Kinder ihr Stilempfinden an diesem altmodischen Prunk schulen müssen«, hatte sie einmal ihre Mutter zu
avó
Filomena sagen hören, als die beiden sich über die Gestaltung des Hauses gestritten hatten.
    Auch die anderen Räume auf Belo Horizonte fand Laura heimeliger als ihr eigenes Zuhause. Die Möbel waren alt und riesengroß und abgewetzt. Es machte nichts, wenn man mit Schuhen auf dem Sofa herumkletterte, wenn man etwas verschüttete oder Malkreide auf dem Teppich verschmierte. Es standen unglaublich viele Möbelstücke im ganzen Haus herum, doch erst die Vielzahl von alten Teppichen auf den Böden, Gemälden an den Wänden und drapierten Stoffen in jedem Fenster sowie jeder Türöffnung verlieh Belo Horizonte diese unvergleichlich gemütliche Wirkung.
    Zugleich ging von dem Anwesen etwas Mysteriöses aus. Die Deckenbalken gaben merkwürdige, ächzende Geräusche von sich. Die verschiedenen Anbauten waren zum Teil so lange nicht mehr genutzt worden, dass sie voller Spinnweben und dicker Staubschichten waren. In der Scheune standen rostige Gerätschaften herum, hinter denen man sich wunderbar verstecken konnte, und die Gartenlaube war derartig von Unkraut überwuchert, dass Paulinho nur von ihrem Anblick schon anfing, sich zu gruseln. Belo Horizonte war

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