So weit der Wind uns traegt
Deshalb fahren wir hin.“
„Deine Eltern leben nicht mehr?“ Robert kannte die Antwort bereits. Sie hatte in dem zusätzlichen Bericht gestanden, den er über Evie angefordert hatte.
„Nein.“ Ein Schatten legte sich über ihre goldbraunen Augen. „Becky ist meine einzige enge Verwandte. Nach dem Tod meiner Mutter habe ich bei meiner Schwester und meinem Schwager gewohnt, bis Matt und ich heirateten.“ Ihre Stimme schwankte unmerklich.
„Und wo anschließend?“, fragte Robert freundlich.
„Bei Matts Eltern“, sagte sie beinahe unhörbar. „Das Haus, in dem ich jetzt wohne, gehörte ihnen. Matt war ihr einziges Kind. Nach seinem Tod überschrieben sie alles mir.“
Wieder spürte Robert einen schmerzhaften Stich. Evie lebte in Matts Elternhaus. Kein Wunder, dass sie auf Schritt und Tritt an ihn erinnert wurde. „Hast du nie an einen Umzug gedacht? Dir ein moderneres Haus zu kaufen?“
Evie schüttelte den Kopf. „Das Haus bedeutet mir sehr viel. Mit dem Tod meiner Mutter hatte ich auch mein Zuhause verloren. Obwohl Becky und Paul mich herzlich aufnahmen, war mir immer bewusst, dass es ihr Heim war und nicht meines. Matt und ich lebten zunächst in einem Wohnwagen. Nach seinem Tod konnte ich unmöglich …“ Sie beendete den Satz nicht.
„Nun, seine Eltern baten mich, zu ihnen zu ziehen. Sie brauchten meine Gesellschaft ebenso wie ich ihre. Vielleicht fühlte ich mich deshalb dort so wohl, als wäre es mein eigenes Zuhause. Inzwischen ist es das“, fügte sie schlicht hinzu.
Robert betrachtete sie nachdenklich. Er war nirgends fest verwurzelt. Zwar war er auf einem großen Gutshof in Connecticut aufgewachsen. Aber der war nicht mehr als ein Wohnort für ihn gewesen. Mit seinem Penthouse in New York erging es ihm nicht anders. Evie würde es dort nicht gefallen, obwohl die Zimmer geräumig und elegant eingerichtetwaren. Ihm gefiel es dagegen, und der Wachdienst funktionier te ausgezeichnet.
Eine Band trat in dem Restaurant auf. Dem Stil des Hauses entsprechend, spielte sie traditionelle Musik. Robert streckte die Hand zu Evie hinüber. „Wollen wir tanzen?“
Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. Dann zögerte sie plötzlich und wurde unsicher. „Es ist so lange her“, sagte sie aufrichtig. „Ich weiß nicht einmal, ob ich es noch kann.“
„Verlass dich ganz auf mich“, beruhigte er sie. „Es ist wie Radfahren. Man verlernt es nie.“
Evie schmiegte sich in seine Arme. Zuerst war sie ein bisschen steif, entspannte sich aber bald und ließ sich von der Musik davontragen. Robert war ein ausgezeichneter Tänzer. Sie hatte nichts anderes erwartet. Er hielt sie fest genug, damit sie sich sicher fühlte, aber nicht so eng, dass ihre Körper sich intim berührten. Wieder der perfekte Gentleman, dachte sie.
Kurz darauf wurde ihr alles klar. Robert brauchte gar nicht deutlicher zu werden. Dieser Tanz war eine einzige Verführung. Mit einer Hand hielt er zärtlich ihre Rechte, die andere lag fest auf ihrem Rücken. Sein warmer Atem strich durch ihr Haar, und der frische Duft seiner Haut stieg ihr in die Nase. Von Zeit zu Zeit streiften ihre Brüste seinen Oberkörper oder seinen Arm, oder ihre Schenkel stießen zusammen. Es war ein gekonntes, unaufdringliches Liebeswerben, und sie blieb nicht unempfänglich dafür.
Um Mitternacht verließen sie das Restaurant. Während der dreiviertelstündigen Fahrt nach Guntersville saß Evie schweigend da. Sie sprachen erst wieder, als Robert in die Einfahrt zu ihrem Haus bog und den Motor abschaltete.
„Morgen Abend?“, fragte er, legte einen Arm auf das Lenkrad und drehte sich zu ihr.
Evie schüttelte den Kopf. „Das geht nicht. Ich habe nichts mit Craig ausgemacht. Er übernimmt wie üblich die Frühschicht. Außerdem möchte ich es auch nicht. Das entspricht nicht unserer Verabredung.“
Robert seufzte resignierend. „Also gut, finden wir einen Kompromiss. Könntest du wenigstens einmal pro Woche die Schicht mit Craig tauschen? Wäre das mit deinen merkwürdigen Skrupeln zu vereinbaren? Schließlich arbeitet der junge Mann für dich und nicht umgekehrt.“
„Craig ist auch ein guter Freund. Er tut mir häufig einen Gefallen. Das will ich nicht ausnutzen.“ An ihrer kühlen Stimme erkannte Robert, dass er Evie gekränkt hatte.
Er stieg aus, ging um den Wagen herum und öffnete ihr die Tür. Während er ihr beim Aussteigen half, fragte er beinahe kleinlaut: „Versuchst du trotzdem, ein bisschen Zeit für mich heraus zuschlagen?“
„Ich
Weitere Kostenlose Bücher