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So weit die Hoffnung trägt - Roman

So weit die Hoffnung trägt - Roman

Titel: So weit die Hoffnung trägt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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bisherigen Streckenabschnitten, weiß ich nicht, aber so war es. Ich sah Kaninchen, Rehe, Dachse, Stinktiere, Waschbären und noch ein paar andere Säugetiere, die nicht mehr zu erkennen waren. McKale flippte beim Anblick überfahrener Tiere jedes Mal aus. Sie ging damit um, indem sie es einfach leugnete und erklärte, die toten Tiere seien nicht wirklich tot, sondern nur wirklich müde.
    Natürlich zog ich sie damit auf. »Sieh mal«, sagte ich dann zum Beispiel. »Da schläft ein Waschbär.«
    Sie nickte. »Das ist aber ein müder Waschbär.«
    »Allerdings. Er schläft so tief, dass ihm der Kopf abgefallen ist.«
    Hin und wieder kam ich an einer Katze oder einem Hund vorbei, was mich jedes Mal traurig stimmte, da ich wusste, dass irgendwo irgendjemand vermutlich nach dem Tier suchte. Ich musste an die Geschichte Der kleine Prinz denken. Der einzige Unterschied zwischen den Katzen und Hunden und den anderen überfahrenen Tieren war der, dass die wilden Geschöpfe nicht gezähmt worden waren. Ich nahm an, wenn ich hier draußen sterben sollte, wäre es nicht anders. Niemand würde mich kennen. Fremde würden es für tragisch oder entsetzlich halten; sie würden vielleicht schreien oder den Notruf wählen, aber sie würden nicht weinen. Sie hätten keinen Grund dazu.
    Ein paar Leute würden mich vermissen, aber die konnte ich an einer Hand abzählen: mein Vater, Nicole, Kailamai und Falene, meine Assistentin, die zu mir gehalten hatte, als meine Firma unterging. So wenige. War das ein gescheitertes Leben?
    An jenem Tag legte ich dreiundzwanzig Meilen zurück, und ich zählte sechsunddreißig überfahrene Tiere. In der Nacht zeltete ich am Straßenrand neben einem Teich.
    Der nächste Tag verlief ungefähr genauso. Ich ging zwanzig ereignislose Meilen weit bis zur Stadt Kennebec. Ich aß im Hot Rod’s Steakhouse zu Abend und versuchte, in einem Hotel namens Gerry’s Motel abzusteigen, fand aber niemanden, der mir dabei behilflich war. Auf dem Empfangstresen des Motels stand ein großer Eiscremebecher, an dem eine handgeschriebene Notiz in einer weiblichen Schrift klebte:
    Trinkgeld für Barb
    Sie hat es wirklich verdient
    Sie steht früh auf
    Ich wartete fast zehn Minuten in der Lobby, aber weder die Frühaufsteherin Barb noch irgendjemand sonst ließ sich blicken, daher ging ich wieder und übernachtete in einem Hotel einen Block weiter.
    Der nächste Tag verlief ebenso eintönig. Nein, mehr noch, wenn man bedenkt, dass der Höhepunkt des Tages darin bestand, dass der Seitenstreifen der Straße von brauner Erde in roten Kies überging. Am Ende des Tages nahm ich die Ausfahrt 260 nach Oacoma, eine richtige Stadt mit einem Autohandel und, was noch wichtiger war, Al’s Oasis.
    Al’s Oasis war eine Art billige Wall-Drug-Kopie, eine Einkaufspassage mit einer Westernfassade und einem Lebensmittelladen, einem Restaurant und einem Gasthof. Ich aß in Al’s Restaurant ein Roastbeef und nahm mir für neunundsiebzig Dollar in dem Gasthof ein Zimmer mit Blick auf den Missouri River.
    Am nächsten Morgen überquerte ich den Fluss, vorbei an der South Dakota Hall of Fame, von der ich in der Touristenbroschüre in meinem Hotelzimmer gelesen hatte. Zu den dort aufgenommenen Persönlichkeiten aus South Dakotagehörten die prominenten TV -Nachrichtenmoderatoren Mary Hart und Tom Brokaw, außerdem Bob Barker ( Der Preis ist heiß ), Al Neuharth (Gründer von USA Today ) und Crazy Horse, wenn auch nicht in dieser Reihenfolge.
    Ich ging vierundzwanzig Meilen weit und übernachtete in der Stadt Kimball, wo ich im Frosty King ein Körbchen mit gebackenen Shrimps aß und für vierundfünfzig Dollar im Dakota Winds Motel abstieg.
    Am nächsten Morgen, auf dem Weg zurück zum Freeway, kam ich an einem Schild für ein Traktormuseum vorbei. Ich war sehr in Versuchung, aber ich widerstand der magnetischen Anziehung des Ortes und ging stattdessen weiter zum Freeway.
    An jenem Abend schlief ich hinter einem Kiefernhain, der am Straßenrand gepflanzt war und der aussah wie ein Verkaufsplatz für Weihnachtsbäume am Rande eines Maisfelds. Vermutlich hätte ich mich noch in die nächste Stadt schleppen können, bloß hatte ich einfach keine Lust dazu. Ich wünschte, ich hätte sie gehabt.

Elftes Kapitel
    Helden und Engel erscheinen im Allgemeinen in Verkleidung.
    A LAN C HRISTOFFERSENS T AGEBUCH
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, drehte sich alles. Ich fühlte mich, als wäre ich eben von der Teetassenbahn im Disneyland gestiegen. Ich lag

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