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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Nickerson
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du Balzac für junge Damen als unangemessen empfunden hast, Anne, aber mein Patenonkel meint, es würde meinen Horizont erweitern, und ich traue seinem Urteil.
    Du liebe Güte. Tut mir leid wegen dem Fleck. Ich versuche zu verhindern, dass beim Schreiben Schweißtropfen aufs Papier fallen (so achte ich auch darauf, dass mein Arm nicht darauf liegt), aber manchmal passiert es doch, bevor ich etwas dagegen tun kann. Tut mir leid, ich wollte nicht eklig sein.
    Wollt ihr jetzt von den guten Taten hören, die ich vollbringe? Ich habe meinem Patenonkel mutig von den Problemen erzählt, die meine Familie mit der Sklaverei hat. Er hat mir geduldig zugehört und mir erklärt, dass Sklaverei im Allgemeinen eine unwürdige Sache sei. Dass sie aber zu bestimmten Zeiten in der Geschichte notwendig war und auch jetzt wieder notwendig sei wegen der Wirtschaftslage und um für die Leute sorgen zu können, die bereits herübergebracht worden seien. Er hat auch betont, dass die Sklaven nur selten grausam behandelt würden. »Wenn ein Mann ein teures Pferd besitzt, schlägt und verletzt er es doch auch nicht«, sagt er, »weil es ihm dann ja nichts mehr nützt.« Es hat sich vernünftig angehört, aber wenn Monsieur spricht, könnte er behaupten, eins und eins sei zehn, und ich würde ihm glauben, auch wenn ich später meine Zweifel habe. Wie kann er zum Beispiel einen Menschen auf dieselbe Stufe mit einem Tier stellen? (Auch wenn wir Pferde lieben.) Ich gewöhne mich langsam daran, aber jedes Mal, wenn ein Afrikaner etwas für mich tut, fühle ich mich unwohl. Als müsste ich mich permanent entschuldigen.
    Letzte Woche hat mein Patenonkel mir erlaubt, zusammen mit Ling die kranken Feldarbeiter zu besuchen, damit ich selbst sehe, wie gut für seine Leute gesorgt wird. Ling verabreichte orientalische Kräuter und ich verabreichte Suppe und Mitgefühl, doch sie sagten lediglich »Danke, Miss«, ohne mich dabei richtig anzuschauen. Die Hütten der Schwarzen sind klein und es ist stickig und heiß und dunkel darin und wenn sie Gekröse kochen, stinkt es. Aber sie sind gut in Schuss und sauber.
    Monsieur hat mich am Sonntagabend auch dorthin zur Bibelstunde mitgenommen. Er erlaubt seinen Sklaven, Versammlungen abzuhalten, ist selbst aber kein Kirchgänger. Er ist hingegangen, weil er der Gastprediger war. In der Regel ist Willie, der Gärtner, der Prediger. Ich habe Willie einmal bei einer Mittwochabendversammlung im Nusshain der Abtei predigen hören. Normalerweise ist er ein sanftmütiger, stiller kleiner Mann, aber hinter einer Kanzel wird er zum brüllenden Löwen! (Nicht zu verwechseln mit einem reißenden Wolf, wie er in der Bibel vorkommt.) Er haut auf die Kanzel, die ein Baumstamm ist, und brüllt, dass alle stocksteif auf der Kante ihrer Bohlenbänke sitzen, und verströmt eine Autorität, die ich ihm nie zugetraut hätte. Als ich Monsieur an diesem Sonntag hörte, wunderte es mich nicht mehr, weshalb er predigen wollte. Er sprach über Gehorsam gegenüber deinem Master und Zufriedenheit mit deinem Platz im Leben. Ausgesprochen leidenschaftlich und überzeugend.
    Die Musik berührte mich mehr als irgendeine, die ich bisher in der Kirche gehört habe. Die Leute klatschten und wiegten sich im Takt und im Hintergrund war dieser herrliche Sonnenuntergang. Ich habe auch mitgemacht, was M. Bernard sehr amüsiert hat. Ein Lied habe ich immer noch im Ohr. Der Refrain ging so: »Oh spottet nur, ihr Spötter, spottet! Ein Sünder, der spottet, hört den Jordan nicht rauschen.« Ich habe meinen Patenonkel vielsagend dabei angeblickt. Er ist definitiv ein Spötter.
    Bitte schreibt bald wieder. Ich liebe meinen M. Bernard, aber euch liebe ich für die ersten siebzehn Jahre meines Lebens. Ich bin hier sehr glücklich, doch ich wäre noch glücklicher, wenn ihr bei mir wärt. Das ist das Einzige, das mich nicht rundum zufrieden sein lässt.
    Eure euch liebende Schwester
    Sophie
    3. August 1855
    Liebste Schwester,
    wenn du diesen Brief erhältst, geht es dir hoffentlich –
    ich nehme die Feder auf, um –
    Bitte zeige das nicht meinen Brüdern, Anne. Wenn du hier wärst, würden wir uns irgendwo verstecken – ganz hinten im Garten oder in einem der vielen Räume, wo uns niemand belauschen kann – und ich würde dir erzählen
    Ich legte die Feder beiseite und zerknüllte das Blatt. Wie

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