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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Nickerson
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Neugier als zu Hause, wenn ich meine Nase in Annes Sachen steckte, sobald sie weg war.
    Einem Phantom ähnlicher als je zuvor, da ich in einem Überkleid aus heller, silbrig schimmernder Gaze herumschwirrte, körperlos wie der Nebel, betrat ich eines Nachmittags einen Raum im obersten Stock, in den ich bisher nur einen kurzen Blick geworfen hatte.
    Diese Kammer war nicht möbliert. Die Decke glich dem Himmel mit einem goldenen Mond und Sternen und um den Kamin herum waren Gestalten aus der Märchensammlung »Mutter Gans« auf die Wand gemalt: der gestiefelte Kater, der kleine Däumling und Dornröschen. Die Fenster waren vergittert. Offensichtlich war es einmal ein Kinderzimmer gewesen, doch jetzt waren alle Möbel verschwunden. Auf einer gemauerten Bank unter dem Fenster lag, halb verborgen hinter dem Vorhang, verstaubt und verloren ein kleiner Stapel Bücher.
    Das war ja etwas ganz Neues in diesem Haus – Bücher, die einfach so herumlagen. Ich nahm eines in die Hand. Der Titel auf dem marmorierten Umschlag lautete Histoires ou Contes du Temps Passé von Charles Perrault. Auch wenn es in Französisch geschrieben war, erkannte ich an der Art der Illustrationen, dass es sich um ein Märchenbuch handelte. Ich schlug es ganz vorne auf. In kindlicher Handschrift standen da der Name »Victoire« und das Jahr »1814«. Der Querstrich des t war als Balken über die anderen Buchstaben gesetzt worden. Darunter standen der Name »Anton« und das Jahr »1830«. Diese Schrift war ausgereifter, doch das t war in derselben Art geschrieben. Ich schloss daraus, dass ein und dieselbe Person beide Namen geschrieben hatte. Vielleicht war Anton Victoires Sohn.
    Es war lächerlich anzunehmen, dass jeder weibliche Vorname, auf den ich hier stieß, der einer früheren Ehefrau von Monsieur war. Durch das viele Alleinsein steigerte ich mich zu sehr in die Sache hinein. Aber falls Victoire tatsächlich mit ihm verheiratet gewesen war, war die Zahl seiner Frauen jetzt auf vier gestiegen. Und wer war dann Anton? M. Bernards Sohn? Falls ja, musste er schon lange tot sein, denn ich hatte nie etwas von ihm gehört.
    Dies musste sein Kinderzimmer gewesen sein.
    Tatianas Kind hätte wahrscheinlich auch hier geschlafen, wenn es gelebt hätte. Tatiana, die vor elf Jahren im Kindbett gestorben war.
    Eine eisige Kälte fuhr mir in die Knochen. Was für ein trauriges Zimmer. Ausgestattet für ein Kind, das offensichtlich starb, bevor es erwachsen war, und für einen Säugling, der nie hier geschlafen hatte, weil er bis in alle Ewigkeit bei seiner Mutter schlief. Ich konnte verstehen, dass mein Patenonkel das Zimmer ausräumen ließ. Die Bücher musste man übersehen haben. Ich nahm sie mit hinunter in mein Zimmer und legte sie auf meinen Schreibtisch.
    Am späten Nachmittag kam Mrs Duckworth mit einem Tablett herein.
    Â»Lassen Sie uns hier gemütlich zusammen essen«, schlug sie vor. »Heute ist ein so düsterer, hässlicher Tag. Ungewöhnlich kühl für August.«
    Sie stellte das Tablett auf der Ottomane ab und wir zogen uns zwei Stühle heran. Die Dämmerung war früh hereingebrochen. In dem Kristallleuchter, der wie im Wasser treibender Seetang geformt war, brannten Kerzen und im Kamin knisterte ein Feuer – zum ersten Mal seit meiner Ankunft brauchten wir eines. Die Flammen hatten jedoch keine Chance gegen die Unterwasseratmosphäre meines Zimmers. Es war zweifellos wunderschön – ausgesprochen fantasievoll sogar –, doch an diesem Abend ließ es mich innerlich frieren. Duckys Gesellschaft war mir sehr willkommen.
    Auf dem Tablett waren eine Kanne heißer, cremiger Kakao, dünne Pfirsichspalten und Butterkekse. Richtig buttrig und süß, genau so, wie ich sie mochte.
    Ducky war wie immer liebenswürdig und erzählte lang und breit von dem pechschwarzen Kalb mit zwei Köpfen, das auf der Plantage geboren worden war, und von den amüsanten Pannen eines Küchenmädchens.
    Ich hörte zu und nickte, während ich aß, doch mir fiel nur wenig dazu ein.
    Â»Und dann hat Alphonse ihr gesagt, sie soll –« Ducky unterbrach sich. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. »Wo haben Sie die gefunden?«
    Ich folgte ihrem Blick. Sie starrte auf die Bücher, die ich von oben heruntergebracht hatte.
    Â»Sie lagen in einem Zimmer im obersten Stock«, antwortete ich. »Hätte ich sie nicht hierher

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